Experten stimmen auf weltweit steigende Rohstoffpreise ein
Von Hasnain Kazim
Entspannung nach den drastischen Preissteigerungen bei Öl und Lebensmitteln: Die Rohstoffkosten sinken wieder, die Börsen jubeln. Doch das, warnen Experten, ist nur eine Atempause. Langfristig dürften Energie und Nahrungsmittel drastisch teurer werden - nicht nur wegen der Spekulanten.
Hamburg - Monatelang war von einem unaufhaltbar steigenden Ölpreis die Rede. Auch die Lebensmittelpreise nahmen zu, Reis, Getreide, Milch. Gold - so teuer wie nie. Während Ökonomen vor einer ausufernden Inflation warnten, verschickten Banken Prospekte, mit denen sie für Investments in Rohstoffpapiere warben.
REUTERS
Juwelierin (in Tokio): Sinkende Preise für Rohstoffe
Wer dieser Werbung glaubte, dürfte jetzt enttäuscht sein: Die Rohstoffpreise sinken wieder auf breiter Basis. Und wer sich vor einer gigantischen Inflation sorgte, ist beruhigt - die von den steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen getriebene Teuerung dürfte gebremst sein. Der Ölpreis ist in den vergangenen Wochen ebenso drastisch gefallen wie er zuvor gestiegen war.
Von einer Entwarnung kann indes keine Rede sein. Bestenfalls sprechen Experten von einer Atempause.
Eugen Weinberg, Rohstoffexperte bei der Commerzbank in Frankfurt, hat die Entwicklung zu Jahresbeginn vorausgesehen: Der Ölpreis, damals noch bei etwa 100 Dollar pro Barrel (159 Liter), würde zur Jahresmitte auf 150 Dollar steigen und anschließend wieder fallen. Tatsächlich erreichte der Preis für Erdöl im Juli mit 147 Dollar sein Rekordhoch und notiert jetzt bei etwa 120 Dollar.
Als Grund für diese Entwicklung nennt Weinberg den Verlauf der Konjunktur. "Derzeit macht sich die Abkühlung bemerkbar, entsprechend geht die physische Nachfrage sowie das Interesse der Investoren für Rohstoffe zurück", sagt der Analyst SPIEGEL ONLINE.
OECD-Länder bestimmen die Preise
Hedgefonds alleine hätten keinen so großen Einfluss auf die erst steigenden und nun sinkenden Preise von Öl, Stahl, Gold, Kupfer, Mais und Soja. "Vor allem langfristig orientierte Anleger wie Banken, Versicherungen und Pensionskassen haben zuvor viel aus Aktien und Bonds in die Rohstoff-Investments umgeschichtet. Mittlerweile hat sich das Interesse etwas abgekühlt. Kurzfristige Spekulanten setzen sogar bereits auf fallende Preise."
Etwa 60 Prozent des weltweiten Erdölbedarfs haben die OECD-Länder, zu denen weder China noch Russland, weder Indien noch Brasilien gehören. Allein das OECD-Mitgliedsland USA fragt 25 Prozent der weltweit geförderten Ölmenge nach, China dagegen nur acht Prozent. "Wenn also die Ölnachfrage in den USA um zwei Punkte zurückgeht, muss sie in China um zehn Prozent steigen, um das auszugleichen", rechnet Weinberg vor. Soll heißen: Der Energie- und Rohstoffhunger der Schwellenländer allein genügt nicht, um die Preise in astronomische Höhen steigen zu lassen.
Ganz abgesehen davon werde auch in den Schwellenländern das Wachstum vorerst nicht in gewohnter Größenordnung fortschreiten. "Die meisten dieser Länder exportieren ja in den Westen. Wenn hier die Konjunktur schwächelt, bekommen das die neuen Boomländer demnächst zu spüren. Nachhaltige Wachstumsraten von über zehn Prozent wird es dann nicht mehr geben." Zudem bauten die Regierungen von China und Indien ihre Benzin- und Dieselsubventionen ab - damit würden die Preise dort an den Tankstellen steigen, die Nachfrage entsprechend sinken. "In China stiegen die Preise für Diesel und Benzin im Juli um rund 20 Prozent an. In Russland kostet Benzin schon jetzt etwa 1,10 Dollar pro Liter - mehr als in den USA."
"Preissenkungen nur noch bis Anfang 2009"
Dennoch gibt Weinberg keine Entwarnung: Langfristig, sagt er, müsse man sich weltweit auf steigende Preise einstellen - bei nahezu allen Rohstoffen. "Das Hoch beim Öl und bei vielen Lebensmitteln war eine kurzfristige Übertreibung. Nach einer mittelfristigen Korrektur werden sich die Preise auf relativ hohem Niveau stabilisieren, um dann wieder zu steigen." Bei Kaffee, Kakao, Zucker und Fleisch sei schon jetzt keine Preissenkung mehr zu erwarten.
Auch Markus Mezger, Rohstoffexperte bei Tiberius Asset Management, spricht von einer langfristig wachsenden Nachfrage. "Der aktuelle Baisse-Zyklus kann drei bis vier Quartale dauern. Ich rechne damit, dass die Preise also ab Anfang 2009 wieder steigen."
Bei vielen Rohstoffen sind Mezger zufolge die Lager auf einem kritisch niedrigen Niveau: Die Bestände an Erdöl, aber auch an Kupfer, Zinn und an Agrarprodukten wie Mais und Soja seien extrem gering. "Gerade bei den Agrarprodukten, die vom Wetter abhängig sind, kann schon das kleinste ungünstige Klima-Ereignis zu Preissteigerungen führen."
Über die Ursachen für die Preisschwankungen gehen die Meinungen auseinander. Spekulanten, sagt Mezger, hätten wenig Einfluss auf die Entwicklungen. Nur bei Agrarrohstoffen sei "viel spekulatives Geld im Spiel" gewesen.
Hilmar Rempel, Rohstoffexperte bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, sagt, die genauen Ursachen für die steigenden und sinkenden Preise werde man nicht genau benennen können. "Es ist eine Mischung aus vielen Faktoren, unter anderem der konjunkturellen Entwicklung und dem Vorgehen von Investoren", sagt der Geologe. "Außerdem darf man den politischen Faktor nicht unterschätzen: Was beispielsweise in Iran passiert, hat unmittelbar Auswirkungen auf die Erdölpreise." Beim Öl, ist Rempel überzeugt, habe bei der drastischen Preissteigerung auch "viel Irrationales" eine Rolle gespielt.
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,570673,00.html
jedes Jahr 20-50% nach Inflation gehen nicht, ganz einfach!