Heute kam - erstmalig in dieser Dokumentation - ein Discount-Zertifikat auf Silber ins Depot. Ich trage damit der Erwartung Rechnung, daß der Silberpreis in den nächsten Monaten nur moderat steigen wird. Nachfolgend erkläre ich, wie solche Derivate funktionieren und welche Strategien man damit umsetzen kann. Ich habe den Text vor einiger Zeit für mich aufgeschrieben, um das Derivat zu verstehen. Da dieser Typ Derivate im Forum nicht so häufig gehandelt wird, mögen die Erläuterungen hier ggf. von Nutzen sein. Ein grundlegendes Verständnis über die Funktionsweise von Optionen setze ich voraus. Wer kein Interesse an Papiersilber und Derivaten hat, kann den Rest des Artikels überspringen. Ebenso natürlich alle, die bereits wissen wie Discount-Zertifikate funktionieren.
Kontext. Ein Discount-Zertifikat verfügt über drei wichtige Parameter: Eine Kursobergrenze, einen Bewertungstag, sowie einen Fälligkeitstag. Am Fälligkeitstag bekommt man entweder den Gegenwert der Kursobergrenze, oder den des Underlyings (hier den Silberpreis) ausgezahlt, jenachdem, welcher Wert am Bewertungstag tiefer lag.
Das im Vorbeitrag gekaufte Silberzertifikat hat eine Preisobergrenze von $26, wird am 16.09. bewertet und eine Woche später am 23.09. zurückgezahlt. Der Einstand war 23,00€ bei einem Silberpreis von $23,55. Weiterhin ist das Zertifikat währungsgesichert; damit zahlt und erhält man den in Dollar notierten Silberkurs 1:1 in Euro. Achtung: Es gibt auch Zertifikate ohne Währungssicherung - hier muß man genau die Emissionsbedingungen lesen!
Funktionsweise. Aufgrund der Preisobergrenze wird der Trade ein schlechtes Geschäft, wenn der Silberpreis stark ansteigt. Denn mehr als 26€ werden nicht zurückgezahlt; in diesem Fall hätte man zwar keinen Verlust, ärgert sich aber über einen entgangenen Gewinn.
Geht der Silberpreis hingegen nur leicht aufwärts, oder sogar leicht abwärts, so lohnt sich das Zertifikat. Der Kauf erfolgte zu 23,00€ mit einem Abschlag zum Silberpreis von $0,55. Der Abschlag ergibt sich daraus, daß dem Zertifikat zwei Geschäfte zugrunde liegen: Einmal der Kauf einer Unze Silber zu 23,55€, und zusätzlich der Verkauf einer nur am 16.09. einlösbaren Call-Option mit Basis $26 an die Emittentin zu 0,55€. Die 0,55€ Optionsprämie sind reiner Zeitwert, der bis zum 16.09. auf Null fallen wird. Die erhaltene Optionsprämie bleibt am 16.09. bei mir und ich kann sie auf meinen Gewinn bzw. Verlust aufrechnen. Bei einem vorzeitigen Verkauf behalte ich einen entsprechenden Anteil der Prämie.
Im Gegensatz zu Optionsscheinen und KO-Zertifikaten habe ich hier also positive Finanzierungskosten, d.h. die Emittentin bezahlt mich für das Halten der Position. Dafür erhält sie das Call-Optionsrecht, und da sie mir die Call-Option zu schlechteren Konditionen abkauft als sie das Gegengeschäft an einer Terminbörse gekostet hat, wird sie auf jeden Fall gewinnen. Das ist fair genug und eine win-win-Situation, da ich das entsprechende Optionsgeschäft bei meinen Brokern nicht direkt abwickeln kann (den Huddel mit der dazu notwendigen Eröffnung eines Kontos in den USA tue ich mir nicht an).
Damit ergeben sich folgende Szenarien am 16.09.:
- Silber steigt über $26 -> 3€ Gewinn (schlechter als Direktinvestment)
- Silber steigt auf $26 -> 3€ Gewinn (optimaler Fall)
- Silber steht wie heute bei $23,55 -> wenigstens 0,55€ Gewinn aus der Optionsprämie
- Silber fällt genau auf $23,00 -> +/- 0 Gewinn; die Optionsprämie wirkt als Sicherheitspuffer
- Silber fällt unter $23 -> Verlust wird um Optionsprämie verringert
Verkaufsszenarien. Im Idealfall wird das Zertifikat mit 1-2$ Gewinn pro Unze innerhalb der Laufzeit wieder verkauft.
Man kann aber auch eine längerfristige Strategie daraus basteln. Ich realisiere zum Beispiel ungerne kurzfristig Verluste, wenn davon auszugehen ist, daß die Position nach absehbarer Zeit wieder in den Gewinn laufen wird. Das ist schlechtes Geldmanagement, aber bei ungehebelten Longpositionen funktioniert es typischerweise, wenn das Underlying werthaltig ist und nicht auf Null fallen kann. Das ist bei Gold und Silber gegeben. Tritt die Erholung bis zum Ende der Laufzeit nicht ein, so bietet es sich an, das Zertifikat kurz vor Ablauf in ein neues zu tauschen (zu "rollen").
Wenn das Zertifikat unter der Kursobergrenze von $26 eingelöst oder vorzeitig verkauft wird, kann man vom Erlös sofort ein neues kaufen. Der Preis des neuen Zertifikats kann bei passender neuer Laufzeit und Kursobergrenze aufgrund der erneut enthaltenen Optionsprämie leicht unter dem erhaltenen Rückzahlbetrag gelegt werden. Man muß beim Rollen also kein neues Geld einsetzen. So erzeugt man ein künstliches Silberinvestment, das über die Haltedauer Rollgewinne in Form der Optionsprämien abwirft, selbst wenn der Silberpreis leicht fällt.
Nachteile. Tauscht man bei starken Kursverlusten immer weiter in Zertifikate mit tieferem Kursdeckel, bekommt man das Problem, daß bei starken Erholungen vorherige Kursverluste aufgrund des tieferen Deckels nicht mehr aufgeholt werden können. Insofern ist auch dieses Investment nicht risikofrei und von gutem Timing abhängig. Bei fallenden Kursen immer wieder in ein Zertifikat mit gleichem Kursdeckel zu investieren ist auch nicht sinnvoll, da die zu vereinnahmende Optionsprämie immer weiter abnimmt, wenn sich der Silberpreis nach unten vom Kursdeckel entfernt (siehe nächster Abschnitt). Wird man also gegen Ende der Laufzeit von einem Crash erwischt, bietet sich eher das Umschichten in einen ungedeckelten Silber-ETC wie den Sprott PHYS an.
Parameter zum Kaufzeitpunkt. Eine offensive Strategie mit Discount-Zertifikaten folgt den gleichen Regeln wie das Schreiben (= shorten) von Call-Optionen: Sie lohnt sich am meisten bei hoher impliziter Volatilität, kurzer Laufzeit (3-6 Monate) sowie geringem Abstand unter dem Kursdeckel (leicht aus dem Geld). In diesem Fall hat die Optionskomponente relativ zur Laufzeit den größten Wert und gleichzeitig die höchste Wahrscheinlichkeit, wertlos zu verfallen (Verfall=Gewinn für mich). Diesen Weg nutze ich normalerweise.
Es gibt auch defensive Strategien mit längeren Laufzeiten und/oder Kursdeckeln weit im Geld. Auf diese Weise nutzt man hauptsächlich die Währungsabsicherung im Zertifikat. Vermutlich werden beide Varianten beizeiten im Depot eingesetzt werden.