Kurzfristige US-Zinsen werden schneller
steigen als jene im Euro-Raum
Was derzeit hauptsächlich für den US-Dollar spricht, ist die
sich immer stärker abzeichnende Zinsschere zwischen den
USA und dem Euro-Raum. Der inflationäre Druck, der von
den gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen auf die USA
ausgeht und der zusätzlich über das Handelsbilanzdefizit ver-
stärkt wird, hebelt die kurzfristigen US-Zinsen fast schon
zwangsläufig weiter nach oben. Ein entsprechender Druck auf
die Euro-Zinsen fehlt hingegen vollständig.
Angesichts der vom niedrigen US-Dollar ausgehenden
Belastungen für den Export wird die Europäische
Zentralbank (EZB) weiterhin eine moderate Zinsentwicklung
verfolgen. Das wird ihr umso leichter fallen, je länger
sich die Inflationsraten auf moderatem Niveau bewegen.
Hohe Zinsen sind allerdings bei näherer Betrachtung kein ausreichendes
Argument für eine nachhaltige Dollarerholung.
Die Akteure an den Devisenmärkten achten auf weitere
Schlüsselkomponenten, wie beispielsweise das US-Haushalts- und
Leistungsbilanzdefizit sowie die Haltung der US-Regierung
zu ihrer eigenen Währung. Und hier gibt es unverändert
keine Signale, dass der Dollar offiziell als zu niedrig empfunden
wird.
Das vergangene G20-Treffen hat gezeigt, dass die USA auch
nicht an konzertierten Aktionen zur Stützung des US-Dollar
interessiert sind. Die Akteure an den Devisenmärkten haben
also keine überraschenden Markteingriffe zu befürchten und
werden – sobald die überverkaufte Situation abgebaut ist –
den Dollar wieder unter Druck setzen.
Es ist daher nur eine Frage der Zeit, wann die maßgebliche
Unterstützung des US-Dollar-Index bei 80 Punkten nach unten
unterschritten wird. Sobald dies der Fall ist, wird eine neue
Abwärtsspirale eröffnet, die den Euro dann durchaus in Richtung
1,50 US$ treiben könnte. Das wird möglich, sobald die
Asiaten ihre bisher aggressiven Dollarkäufe zurückfahren. Bis
dato haben sie mehr als 1,3 Billionen Dollar in US-Staatsanleihen
investiert, und sie machen mit jedem weiteren Fall der
US-Währung Verluste. Diese Politik lässt sich in diesem Ausmaß
auf Dauer kaum durchhalten.
Es geht jetzt nicht darum, dass die Asiaten ihre bestehenden
Dollarinvestitionen zurückfahren werden, denn dies wäre für
das internationale Finanzsystem eine Katastrophe. Darüber
sind sich auch die asiatischen Notenbanken im Klaren. Aber
allein eine Reduzierung der Neuinvestitionen wird die USWährung
unter Druck setzen. Im Gegenzug kommen insbesondere
die Chinesen um eine moderate Aufwertung ihrer
eigenen Währung nicht herum. Die ist an den US-Dollar
gekoppelt, was den Amerikanern schon seit längerer Zeit ein
Dorn im Auge ist. Deshalb gehe ich davon aus, dass der Druck
auf die Chinesen hinsichtlich der Abkoppelung ihrer Währung
in den nächsten Monaten deutlich zunehmen wird.
Nun kann China die Währungsbindung an den US-Dollar
nicht von heute auf morgen aufgeben. Hier bedürfte es einer
langfristigen Übergangsstrategie. Denkbar ist beispielsweise
ein Zielkorridor nach einem ähnlichen Modell wie bei den
europäischen Währungen zu ECU-Zeiten. Bekommen die
Finanzmärkte davon aber Wind, sind Zinssteigerungen am chinesischen
Anleihemarkt programmiert.
Zinssteigerungen wiederum haben einen tatsächlich abkühlenden
Einfluss auf die chinesische Konjunktur. Denn trotz
aller Bemühungen, den Konjunkturboom in China im Jahr
2004 spürbar zu bremsen: Gelungen ist dies der chinesischen
Administration nicht. Zinsbedingte Abkühlungseffekte sind
hingegen in China weitgehend unbekannt. Eine solche
Entwicklung wäre deshalb nicht ohne Brisanz. Solange
die Chinesen ihre Währungspolitik nicht ändern, wird sich
dieser im Grunde genommen längst überfällige konjunkturelle
Bereinigungsprozess weiter verzögern.
Es ist dennoch wichtig, die möglichen Auswirkungen auf
andere Märkte im Auge zu behalten, um nicht eines schönen
Tages auf dem falschen Fuß erwischt zu werden. Ich denke da
vor allem an die Rohstoffmärkte, die auf eine konjunkturelle
Abkühlung in China empfindlich reagieren würden.
Das ändert zwar nichts an den längerfristig positiven Ausblicken
für die Rohstoffmärkte, aber keine Hausse läuft ohne
Korrekturen und Konsolidierungen.
Von einer wirtschaftlichen Abkühlung in China wäre bereits
die Rede, wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf 5% fallen
würde. Dies wäre die Variante einer weichen Landung.
Von einem 5%-Wachstum des BIP können wir hier zu Lande
träumen und würden von einer überhitzten Konjunktur sprechen.
In China würde sich eine solche Landung jedoch wie
eine Rezession anfühlen.
Solange sich der Goldpreis direkt am US-Dollar orientiert,
wird dieser jeden Swing der US-Währung nachvollziehen.
Exemplarisch war dies in der ersten Dezemberwoche zu beobachten,
als der überverkaufte Dollar deutlich nach oben korrigierte
und die Goldnotierungen innerhalb eines Tages umgehend
um über 16 US$ in Richtung 430 US$ fielen. Die Goldaktien
hatten diese Entwicklung bereits Ende November vorweggenommen.
Mit den längerfristig negativen Ausblicken für den US-Dollar
bleiben die Prognosen für den Goldmarkt positiv. Eine
Abkoppelung des Goldes von allen Währungen wird erst dann
erfolgen, wenn der Goldmarkt seine allmählich wiedererlangte
Bedeutung als sicherer Hafen weiter ausbauen kann, also größere
Investorenkreise Gold als Sicherungsinstrument kaufen
werden. Das wiederum zeichnet sich ab, sobald die US-Anlei-
hemärkte infolge höherer Inflationsraten unter Druck geraten
werden.
Immer mehr international orientierte Investoren erkennen,
dass US-Anleihen keinen wirklichen Anlageschutz bieten.
Allein die währungsbedingten Verluste werden auf Dauer nicht
akzeptiert. Da diese schon in den vergangenen beiden Jahren
nicht gerade gering waren, wird der Druck auf sicherheitsorientierte
Investoren größer, sich nach Anlagealternativen
umzuschauen. Und da wird die Mehrheit an Goldinvestments
auf Dauer nicht vorbeikommen.
Drängen größere Investorenkreise in den Goldmarkt, wird sich
dessen Struktur zwangsläufig ändern. Gold und Goldaktien
sind eigenständig handelbare Finanzinstrumente. Eine Parallele bieten
die 70er bis Mitte der 80er Jahre, als Edelmetalle letztmalig
eine bedeutende Investmentrolle gespielt haben.
Überträgt man die damaligen Relationen auf die aktuelle Situation,
wirken angesichts der heute wesentlich größeren frei
verfügbaren finanziellen Mittel sowohl der Gold- als auch der
Goldaktienmarkt wie Randsektoren. Drängt nur ein Teil des
sicherheitsorientierten Geldes in diese Märkte, werden sie
zwangsläufig explodieren müssen. Es handelt sich um einen
Treibsatz, dessen Ausmaß sich zurzeit kaum jemand vorstellen
kann.
Um den Aktienmarkt ist mir derzeit weniger Bange als um den Anleihenmarkt, bei denen vor allem "sicherheitorientierte Anleger" in der nächsten Zeit meiner Meinung nach Ihr blaues Wunder erleben werden.