Monatsausgabe meines Börsenbriefes von Gestern.... Auszüge davon... Teil 1
Notenbanken: Eine echte Inflationsbekämpfung findet nicht statt!
2021 stand vor allem im Zeichen der Wiederkehr hoher Inflationsraten. Die Notenbanken wurden von dieser Entwicklung überrascht und flüchteten sich dann in die Hoffnung, dass sich der Teuerungsschub als vorüber- gehendes Ereignis präsentieren werde. Exakt diese Reak- tion hatte ich erwartet, ebenso die damit einhergehenden falschen Einschätzungen vonseiten der US-Notenbank (Fed) und der EZB. Gegen Ende August schlug angesichts hartnäckig hoher Inflationsraten Fed-Chef Jerome Powell allmählich andere Töne an und gab zu, dass ihm die Entwicklung Sorgen bereite.
Aber es brauchte noch bis Ende November, um die Realitäten anzuerkennen. Dem folgte im Rahmen des Meetings des US-Offenmarktausschusses (FOMC) Mitte Dezember eine konsequente Entscheidung dahingehend, dass das Anleihen-Kaufprogramm QE4 im März dieses Jahres eingestellt wird. Damit wird der Weg zu Leitzins- erhöhungen frei. Der FOMC beabsichtigt für dieses Jahr drei Zinsanhebungen. Folgt man dem seit dem 2000er- Jahrzehnt üblichen Muster von Mikro-Zinserhöhungen, wird die Fed Funds Rate im Laufe dieses Jahres bis in den Bereich zwischen 0,75% und 1% angehoben.
US-Notenbank: Bis 2024 sind 7 Leitzins- erhöhungen geplant
Im nächsten Jahr sollen, so die Planung, zwei und im Jahr darauf nochmals zwei weitere Zinserhöhungen folgen. Bei einer entsprechenden Umsetzung würde der US-Leitzins im Jahr 2024 in der Spanne von 1,75 bis 2% notieren. Ich hatte Ihnen in der Januar-Ausgabe bereits die Entwicklung des sogenannten Taylor-Zinses vorgestellt. Angesichts der nunmehr geplanten Zins- erhöhungen unter Einbeziehung des Taylor-Zinses fin- det mit diesen Maßnahmen keine Inflationsbekämp- fung statt, ja nicht einmal ein dämpfender Effekt. Einige FOMC-Mitglieder sprechen sich für noch stärkere und konsequentere Zinserhöhungen aus, was am 5. Januar Unruhe in die Aktienmärkte brachte. Ich halte dies aber für wenig realistisch.
Kurzum, die Fed kann nicht so agieren, wie sie es eigent- lich müsste. Die beabsichtigten Maßnahmen beinhalten nach wie vor die Hoffnung, dass sich die Inflationsraten im nächsten Jahr wieder spürbar reduzieren werden. Allerdings signalisiert der Inflations-Indikator der Fed eine anhaltend hohe Inflationsentwicklung bis zum Herbst dieses Jahres.
Dies bedeutet auch, dass die inflationsbereinigten Real- zinsen im Minusbereich verbleiben werden, so dass aus Zinssicht keine Gefahr für den Goldmarkt besteht und zwar selbst dann nicht, wenn die Zinsen der 10- und 30-jährigen US-Staatsanleihen zulegen werden.
Anleihen-Kaufprogramm QE4:
Die Einstellung folgt in einem vergleichsweise kurzfristigen Zeitraum
Eine andere Frage ist in diesem Zusammenhang, wie sich die Wall Street und mit ihr die westlichen Aktienmärkte entwickeln werden. Grundsätzlich profitieren von einer höheren Inflation Sachwerte, und zu denen zählen auch Aktien. Nun verhält es sich aber so, dass die Wall Street seit Ende März 2020 maßgeblich vom ausgeweiteten Anleihen-Kaufprogramm QE4 und der damit einher- gehenden Liquiditätsversorgung überdurchschnittlich profitiert hat.
Die Fed stampft dieses Programm in einem vergleichswei- se kurzfristigen Zeitraum ein, da sie mit der Hoffnung auf einen nur vorübergehenden Inflationsanstieg ein gutes halbes Jahr Zeit verplempert hat. Der mit der QE4-Ein- stellung einhergehende Liquiditätsentzug sollte am New Yorker Aktienmarkt spürbar werden. Dieser dämpfende Effekt wird von den beabsichtigten Leitzinserhöhungen zusätzlich forciert, sobald diese umgesetzt werden.
Zu berücksichtigen sind die damit verbundenen Zeit- verzögerungseffekte, die sich auf bis zu zwölf Mona- ten belaufen können. Das heißt: Bis sich die Wirkung einer Leitzinserhöhung entfaltet, können sechs bis zwölf Monate vergehen. Somit werden sich die drei für dieses Jahr geplanten Leitzinsanhebungen bis in 2023 hinein auswirken und somit das nächste Anlagejahr beeinflussen.
Leitzinsanstieg wird die Wall Street nicht unter Druck setzen
Der relative Aspekt besteht demgegenüber darin, dass der diesjährige Leitzinsanstieg bis zur Spanne von 0,75 bis 1% als moderat eingestuft werden kann und mit die- ser Maßnahme allein die Wall Street nicht unter Druck gesetzt wird. Den Liquiditätsentzug stufe ich hingegen als kritischer ein, da damit der seit dem Frühjahr 2020 maßgebliche Hausseturbo entfällt.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Fed-These eines vorübergehenden Inflationsanstiegs bei den institutionellen Anlegern großen Zuspruch erfahren hat – einfach aus dem Grund, da sich auf dieser Basis nichts ändern würde. Man hat es sich im „QE-Sessel“ bequem gemacht, und genau aus dieser Bequemlichkeit müssen die institutionellen Anleger heraus. Solche Entwicklungen sind aber schwerfälliger, als sich dies mancher Privatanleger vorstellt.
Kritischer hingegen ist die QE4-Einstellung zu betrachten
So betrachtet, war die Fed im Vorjahr mit Blick auf die Inflationsentwicklung viel zu lange passiv, doch deren Passivität wurde von der Mehrheit der institutionellen Anleger noch deutlich übertroffen. QE als Garant für einen „ewigen“ Haussemarkt: Da brauchte man nur den Schwerpunkt auf Tech-Aktien zu setzen, die Gewinne stellten sich von selbst ein. Flankiert wurde diese Entwicklung vor allem seit dem Corona-Crash von vielen privaten Neueinsteigern, die im Zuge des nachfolgenden Aufwärtsschubs überwiegend positive Erfahrungen gemacht haben.
Für die Wall Street hat die QE4-Einstellung einen Bremseffekt. Dies bedeutet aber nicht sogleich eine vor- gezeichnete Baisse. Man kann nicht einmal attestieren, dass der Tech-Sektor extrem überbewertet ist, da sich explosive Aufwärtsschübe in vergleichsweise kurzfris- tigen Zeiträumen bislang nicht eingestellt haben. Diese wären aber – analog zur Entwicklung Herbst 1999 bis Frühjahr 2000 – keine Bedingungen für die Einleitung eines Baissemarkts.
Eine Variante besteht darin, dass einer Korrektur eine trendlose Volatilität folgt, die sich mitunter über etliche Monate erstrecken kann. Ein wesentliches Merkmal be- steht darin, dass nach einer Korrektur die vorangegange- nen Allzeithochs nicht mehr übertroffen werden. Folgen einer trendlosen Volatilität dann neue Tiefs, wäre der Abwärtstrend etabliert.
US-Technologiesektor: Regulatorische Eingriffe sind die größere Gefahr
Einige Einzelwerte aus dem Technologiesektor sind zwar überbewertet, aber von Exzessen kann keine Rede sein. Das heißt im Umkehrschluss, dass Kurseruptionen selbst bei den Big Techs nach wie vor möglich sind. Aber hier ist eine Komponente zu berücksichtigen, die dem Tech-Sektor mehr zusetzen könnte als restriktive Maßnahmen
vonseiten der Fed. Diese Gefahr besteht in den sich abzeichnenden Regulierungen. Entsprechende Bestrebungen zu einer stärkeren Regulierung der Technologiekonzerne gibt es sowohl in Washington als auch in Brüssel. Ich gehe aber nicht davon aus, dass hier ähnlich unsensibel vorgegangen wird wie vonseiten der Führung in Peking gegenüber den bekannten Tech-Konzernen in China. Entscheidend ist, in welchem Umfang regulatorische Maßnahmen sich auf die Gewinnentwicklung der Konzerne auswirken werden. Dies wird die Reaktion der Marktteilnehmer entscheidend beeinflussen. Das Spek- trum befindet sich zwischen moderaten Eingriffen bis hin zu gravierenden Maßnahmen.
Hier wiederum sind die Lobbyisten der Tech-Branche zu berücksichtigen, die in Washington und Brüssel Einfluss, aber in Peking keine Macht haben. Man kann die Erfahrungen aus den regulatorischen Eingriffen bei den chinesischen Tech-Konzernen und der damit einher- gehenden Reaktion an der Börse Shanghai (Kursrück- gänge von durchschnittlich 40 bis 50%) nicht zwingend auf US-Tech-Aktien übertragen. Das mögliche Risiko angesichts der politischen Bemühungen hinsichtlich stärkerer Regulierungen sollte aber berücksichtigt wer- den und wird von mir fortlaufend beobachtet.
EZB: PEPP wird eingestellt, APP im Gegenzug erhöht
Nun der Schwenk zur Gelddruckmaschine namens EZB, die mit Blick auf die Inflationsentwicklung einen ande- ren Kurs fährt als die US-Notenbank. Hier folgte Mitte Dezember eine Weichenstellung, die bemerkenswert ist. Während die Fed die Herausforderung angesichts deutlich steigender Teuerungsraten zumindest im Ansatz annimmt, versucht sich die EZB an einem Übersprung- syndrom.
Dieses zeigt sich, indem die noch im September darge- stellte Prognose eines Inflationsanstiegs in diesem Jahr um +1,7% mal eben auf 3,2% angehoben wurde (Inflati- on in der Eurozone im November: +4,9%) – wobei hier mit weiteren Anpassungen gerechnet werden muss. Das ist aber letztlich egal, wenn die EZB der Realität so oder so hinterherhinkt bzw. diese ausblendet.
Im Gegensatz zur Fed wird das Euro-QE (PEPP und APP) nicht eingestellt, sondern neu ausgerichtet. Das pandemie- bedingte Anleihen-Notkaufprogramm PEPP soll Ende März auslaufen. Demgegenüber wird das Programm APP von derzeit 20 Mrd. € monatlich ab April für das zweite Quartal auf 40 Mrd. € verdoppelt, ab dem dritten Quartal mit 30 Mrd. € fortgesetzt und ab dem vierten Quartal wie- der auf das derzeitige Niveau von 20 Mrd. € gesenkt.