Vorschau 2009 - Der fundamentale Rahmen (von Klaus Singer)
ZitatDie Kreditverknappung der Banken hält aber an, so dass von hier aus weiterhin eine stark kontrahierende Wirkung auf die Realwirtschaft ausgeht. Daher werden jetzt umfangreiche staatliche Anreizprogramme aufgelegt. In den USA z.B. ist vom neuen Präsidenten Obama beabsichtigt, bis zu einer Billion Dollar (rund 7 Prozent des BIP) auszugeben. China will prozentual deutlich mehr investieren, v.a. in Infrastrukturmaßnahmen.
ZitatDie von Politik und Wissenschaft gezogenen Lehren aus der Großen Depression führen zu der Konsequenz, dass sich die Staaten dieses Mal schneller und stärker verschulden, um so zu verhindern, dass sich eine deflationäre Spirale entwickelt. Dennoch bleibt zumindest der Ausblick einer langen und schweren Rezession. Dabei ist das Risiko einer Depression u.a. auch deshalb erhöht, weil wir uns im „Winter“ des aktuellen Kondratieff-Zyklus befinden, in dem sich noch keine Basisinnovation zu einer neuen Triebkraft formiert hat.
ZitatDas Thema „schwere Rezession“, erst recht „Depression“ hat Implikationen für Inflation oder Deflation. Inflation ergibt sich nicht automatisch aus der Geldmenge. Entscheidend ist, wo sich die vermehrte Geldmenge aufhält und wie schnell sie umläuft. Ob und in welchem Maße die jetzt zunächst im Finanzbereich stark anwachsende Geldmenge in die Güterwirtschaft überschwappt, hängt wesentlich an der Entwicklung der kaufkräftigen Nachfrage. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes wiederum hängt mit den realwirtschaftlichen Aktivitäten zusammen. In einer Depression sind die Bedingungen für eine ausgeprägt inflationäre Entwicklung nicht günstig.
ZitatSo lange die Rezession noch nicht voll entwickelt ist und so lange die Gefahr einer Depression akut bleibt, dürfte die private Investitionstätigkeit äußerst gering bleiben. Diejenigen, die über eine (prall gefüllte) Spekulationskasse verfügen, suchen nach Anlage, werden in diesem Kontext aber keine langfristig aussichtsreiche finden. Also werden sie die Mittel immer nur kurzfristig mal hier hin, mal dort hin schieben. Im statistischen Mittel werden sie sich dabei die Finger verbrennen, denn die fundamentalen Umstände lassen "Long"-Spekulationen auf sich verbessernde Zustände so schnell nicht rentierlich werden. Damit wird ein Teil der reichlichen Liquidität "verbrannt". Die Inhaber der Spekulationskasse werden zunehmend unsicherer, die Tendenz zu Cash-Haltung nimmt stetig zu. Die die Deflation kennzeichnende Cash-Präferenz prägt sich weiter aus.
ZitatOb Obama auch in der Lage sein wird, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen, muss sich noch zeigen. Die Voraussetzungen dafür, dass die USA die Krise schneller und besser bewältigen als die EU sind jedenfalls recht gut. Die USA verfügen über einen großen, einheitlichen Binnenmarkt mit einer relativ zentralistisch ausgerichteten politischen Führung. Die EU ist hingegen ein bürokratisch verkrustetes Gebilde. Sie ist wirtschaftlich, politisch und finanziell, auch kulturell heterogen. Die EU kann damit nur schwerfällig auf die Anforderungen der Krise reagieren. Der hierdurch entstehende Tempoverlust kann gravierende Auswirkungen haben, begründet aber auf jeden Fall deutliche Nachteile im globalen Vergleich.