Wir hatten die letzten Tage, über mehrere Threads hinweg, eine Diskussion über die „Geldmenge“ und inwieweit sie relevant für so Dinge wie „Inflation“ ist. Meine Argumentation, dass die Geldmenge für die Inflation gänzlich unerheblich ist, weil das in ihr enthaltene Geld bereits „gekauft hat“ und daher nicht noch mal am Markt erscheinen kann, um dort Güter nachzufragen und damit die Preise zu treiben (= Inflation), mag für den einen oder anderen etwas esoterisch geklungen haben. Einige fühlten sich nach eigenen Aussagen dadurch auch „von der Seite angemacht“ bzw. „verarscht“. Um zu zeigen, dass die meinem Argument zugrundeliegende Logik keineswegs esoterisch ist und schon gar nichts von „Verarsche“ hat, folgender Beitrag mit einer schematischen Darstellung dessen, was beim Geldmengenwachstum passiert, und wieweit es relevant ist für die „Inflation“. Formalien, wie der Umstand, dass der Begriff „Geldmenge“ per se schwachsinnig ist oder die monetäre Basis (M0 = das Zentralbankgeld) nach heute gültigen Definitionen nicht zur „Geldmenge“ zählt, sollen uns dabei zwecks Vereinfachung nicht interessieren.
1) Nehmen wir zunächst mal an, in einer kleinen VoWi gibt es eine Zentralbank Z, die Gold als Reservemedium besitzt und dagegen Banknoten im Wert von 100 ausgibt. Sie reicht diese an die Bank A weiter, quasi als „Erstausstattung mit gesetzlichem Zahlungsmittel“. Die Bank A hat damit eine Forderung gegen die Zentralbank in höhe der ausgegebenen Banknoten (bzw. Cash als Aktivum, ganz wie man das sehen möchte), die Zentralbank hat als Aktivum das Gold im Wert von 100 und als Passivum die Banknoten in Höhe von 100. Die Geldmenge in dieser VoWi ist wie hoch ? – Exakt: 100. Hat das verfügbare Geld bereits irgendwas gekauft ? Nein. In der Tat gilt der Satz für die „Erstausstattung mit Geld“, die die Zentralbank tatsächlich „aus dem Nichts (ex nihilo)“ schaffen kann, nicht, der für jede zusätzliche Geldmenge gilt, nämlich, dass das Geld bereits gekauft hat und nichts weiter damit anzufangen ist. Diese Erstausstattung kann aber selber leider auch nichts kaufen, wie wir nachfolgend gleich sehen werden, fällt also als „Inflationstreiber“ schon mal völlig aus.
2) In unserer kleinen VoWi gibt es noch das Unternehmen B. Das Unternehmen B würde gerne was produzieren, benötigt dafür aber Kapital in Höhe von 50, und muß sich dafür einen Kredit aufnehmen. Cash, mit dem es stattdessen was kaufen könnte, hat es dummerweise noch keines, weil wie gesagt: unter 1) haben wir gerade die „Erstversorgung“ des Bankenapparats miterlebt, aus der sich erst alles weitere ergibt. Aus diesem Grund heißt dieses Zentralbankgeld aus 1) übrigens auch „high powered money“, aber das nur am Rande. Der Unternehmer B geht also zur Bank und verlangt Kredit über 50. Die Bank gewährt ihm diesen Kredit, und der Unternehmer zieht los und kauft all das, was er zum Produzieren braucht, in toto Waren für 50.
3) Die Bank A bucht bei sich 50 gegen den Unternehmer als Kreditforderung, und bucht die Banknoten von 50 aus ihrem Banknotenkonto ab. Der Unternehmer C, von dem Unternehmer B seine Güter kauft, hat zufällig sein Konto auch bei der Bank A, und auf dieses zahlt er die 50, die er vom Unternehmer B als Kaufpreis bekommen hat ein. Die Bank A bucht bei sich also einen Zugang von 50 auf das Bargeldkonto, und gegenüber dem Unternehmer C eine „Verbindlichkeit aus Sichteinlagen“ von ebenfalls 50.
4) So, und jetzt wollen wir mal rekapitulieren:
a. Wie hoch ist die Geldmenge in unserer kleinen VoWi nach 3) ? – Antwort: Sie beträgt 150, nämlich die 100 aus der Erstausstattung mit Noten, und 50 aus Sichteinlagen bei Bank A.
b. Welches Geld hat gekauft und war damit inflationswirksam ? Die 100 aus der Erstausstattung ?
Antwort: Nein. Die 100 sind schlicht da, sie tun nix, sie stellen nur den Gegenwert des Aktivums dar, dass gegen zukünftige Kredite ausgereicht werden kann.
c. Welches Geld hat also gekauft ?
Antwort: Lediglich die 50 aus der Neuverschuldung haben gekauft. Doch bevor sie kaufen konnten, mussten sie als Neukredit überhaupt erst mal in Erscheinung treten. Hätte der Unternehmer B sich nicht verschuldet, in unserer kleinen VoWi wäre nichts passiert, rein gar nichts. Und von Inflation weit und breit keine Spur. Die Inflation tritt auf, sobald das Geld aus den 50 Neukredit beim Unternehmer C vorstellig wird und sagt: „Ich will die und die Waren“, worauf Unternehmer C die Nachfrage neu einschätzt, seine Preise anpasst und sagt „OK, aber das kostet dich jetzt 50“. Oder vielleicht macht er das erst beim nächsten Kunden, und verkauft B die Ware noch zum alten Preis, das muß uns hier nicht weiter interessieren. Der entscheidende Punkt ist der: die auf dem Markt erscheinende Nachfrage, die die Inflation treibt, liegt niemals in der Höhe vor, wie es M1, M2 oder M“wasauchimmer“ ausmachen, sondern immer nur in dem Ausmaß, wie es der konkreten Neuverschuldung entspricht.
Diese „Neuverschuldung“ muß in dem Moment, wo sie auf dem Markt als Nachfrage erscheint, nicht unbedingt einem „Bankkredit“ entsprechen. Sie kann als Kauf auf Ziel, Kreditkartentransaktion und diversen anderen Formen erscheinen. Daher ist sie statistisch nicht so leicht einzufangen, wie die bekannten „Geldmengen“.
Nehmen wir jetzt zum Abschluß noch mal folgenden Fall vor, der gestern für ein wenig Aufregung in der Diskussion gesorgt hat: der der Reuters-Meldung, wonach die FED nun angeblich Aktien aufkaufen wird, woraus einige die Parole „Hyperinflation“ ausgegeben haben.
Der Unternehmer B in unserem Beispiel hätte keine Produktionsanlagen gekauft, sondern Aktien eines beliebigen anderen Unternehmens, wiederum in Höhe von 50. Verkäufer in diesem Fall wieder Unternehmer C, alles wie gehabt, Geldmenge liegt bei 150, an der Aktienbörse erschienene (preistreibende) Nachfrage war 50.
Aus irgendeinem Grund meint jetzt die Zentralbank Z, sie müsste dem Unternehmen B seine Aktien zu besagten 50 abkaufen, wohl aus der Angst, dass in einem Crash die Aktien auf 20 fallen könnten, womit der Unternehmer B die Sicherheit für seinen Kredit gegenüber Bank A flöten geht, Zwangsverkäufe einsetzen und damit der berühmte deflationäre Abwärtsstrudel, den wir in der Vergangenheit schon so oft schauen durften, und über den ein gewisser Charles Kindleberger mit „Manias, Panics & Crashes“ ein wirklich sehr gutes und lesenswertes Buch verfasst hat.
Also: die FED (= Zentralbank Z in unserem Beispiel) kommt also zum Unternehmer B und sagt: „Junge, wir erlösen dich von deinen Sorgen, hier sind 50, gib uns deine Aktien“.
Wo hat Zentralbank Z das Geld her ? Wenn sie wirklich cool ist, dann sagt sie folgendes: „Ich kaufe die Aktien für 50 mit Geld in Höhe von 50, welches ich dadurch erzeuge, dass ich es gegen die Aktien von 50 ausgebe“. Das ist by far das coolste, was die Zentralbank machen kann, mit Ausnahme von Taschenspielereien, die heute vermutlich jeder durchschauen würde, wie zB die Mefo-Wechsel der Nazis und ähnlicher Zauberkunststücke.
Die Zentralbank Z verbucht also bei sich den Zugang der Aktien zu 50, dagegen die Banknotenausgabe von 50.
Der Unternehmer bucht den Abgang der Aktien von 50, und den Zugang des Geldes von 50. Dieses lässt er zunächst bei der Bank A auf dem Konto, womit temporär die Geldmenge um besagte 50 auf insgesamt 200 steigt. Wieso ? Weil wir 1) die 100 aus der Erstversorgung 2) die 50 aus B’s Kredit und 3) die neuen 50 der Zentralbank Z haben, in toto also 200. Können diese neuen 50 irgendwas kaufen, d.h. inflationswirksam am Markt als Nachfrage nach Gütern erscheinen, i.e. weil der glückliche Unternehmer B jetzt „erst mal shoppen geht“, wie es gestern in einem Beitrag hiess ? Antwort: nein, sie können nicht. Warum ? Weil eine von 2 Möglichkeiten eintreten wird:
a) der Unternehmer B lässt das Geld auf dem Konto liegen, als neue Sicherheit für den Kredit, den er ja noch immer hat. Er kann also damit nicht shoppen gehen, die Bank A würde es ihm schlicht nicht gestatten.
b) Weil es natürlich ein wenig sinnlos ist, einen Kredit mit einer gleichhohen Summe Geld auf dem Konto zu besichern, wird der Unternehmer eventuell selbigen mit dem neuen Geld der Zentralbank einfach tilgen. Er bucht also bei sich das Geld aus, und auf der Passivseite den Kredit. Was bucht die Bank A ? Sie bucht die Kreditforderung an B aus, und bucht den Geldbestand von 50 von A’s Konto um auf ein eigenes und holt es damit aus der Zirkulation. Kann dieses Geld damit noch auf irgendwelchen Märkten als Nachfrage erscheinen und inflationstreibend wirken ? – Nein. Für unser Beispiel mögen wir uns mit der simplen Aussage begnügen, dass die Bank selbst mit ihren Barbeständen wohl kaum auf den diversen Gütermärkten aufkreuzen wird, um kräftig einzukaufen. In der Realität ist es dagegen so, dass Barbestände, die den Banken selbst gehören, von vornherein nicht zur „Geldmenge“ zählen, bzw. die Bank, weil sie renditeorientiert wirtschaftet das Geld dorthin verfrachtet, wo man ihr Zinsen dafür bezahlt, nämlich zur Zentralbank. Aber egal wie, diese extra 50, die die Zentralbank Z (= die FED) derart in den Kreislauf eingeschleust hat, machen nichts anderes, als alte Schulden abzulösen. Hernach wurden sie nie wieder an den Gütermärkten gesehen, sie waren für die „Inflation“ oder gar die „Hyperinflation“ von morgen ungefähr so spannend, wie es der Wetterbericht von letzter Woche für die Wahl „Regenschirm oder nicht“ am morgigen Sonntag ist.
Zum Abschluß: können aus den 50 der FED (der Zentralbank Z) so gar nicht und überhaupt nicht irgendwelche inflationären Effekte entstehen ? – Doch. Aber nur dann, wenn sich irgendjemand in unserer kleinen VoWi bereit erklärt, sich über das aktuelle Niveau hinaus „neuzuverschulden“. Der Unternehmer B zum Beispiel könnte hergehen und zu seiner Bank A sagen, „Jungens, mit dem Geld von 50, dass mir die Zentralbank da dankenswerterweise aufs Konto geschaufelt hat, löse ich nicht den Kredit in selbiger Höhe bei Euch ab, sondern ich kaufe damit erneut Aktien, weil ich glaube, die werden steigen“ ... und wenn die Bank A das mitträgt, dann geht das Spiel in der Tat in eine neue Runde: der Unternehmer B kauft Aktien von Unternehmer C, der legt das Geld auf sein Konto, die Geldmenge steigt um 50 .... alles wie gehabt und oben bereits beschrieben. Es wären wieder nur die 50 der Neuverschuldung, die am Markt preistreibend (= inflationär) in Erscheinung treten würden.
Wie heisst es meist so schön an dieser Stelle: qu.e.d
Übrigens, wer glaubt, obige Schematik wäre unzutreffend geschildert, möge sich bitte das Standardwerk der Geldtheorie, „Einführung in die Geldtheorie“ von Othmar Issing, Verlag Gabler, derzeit in der 14. Auflage, eingehend zu Gemüte führen. Genauso wie oben dargestellt läuft die „Geldschöpfung“ ab, der kleine Aktienkunstgriff der FED fiele unter die Rubrik „Offenmarktgeschäfte“.
Unglaublich ? Vielleicht, aber no bullshit.
Wünsche allseits vergnügliches Wochenende.