Alles mit einem ökonomischen Wert, was man besitzen kann ob Haus, Auto, Hypothek, Bankkonto, Aktien, Verträge, Patente, Schuldverschreibungen, ist auf Papier dokumentiert. Man kann diese Vermögenswerte nur besitzen, übertragen, bewerten und geltend machen mit Hilfe von Dokumenten, die rechtlich anerkannt sind wobei diese Anerkennung auf einem ausgeklügelten System von Regeln, Prozeduren und Standards beruht. Die globale Wirtschaft wird von solchen Papieren zusammengehalten. Ohne verlässliche Dokumente ist eine Geschäftstätigkeit nur schon auf nationaler Ebene erst recht auf der globalen völlig undenkbar.
In den vergangenen Jahren haben die Regierungen zugelassen, dass die Qualität dieser Papiere untergraben wird, indem sie sorglos eine wahre Flut von neuen Finanzprodukten auf die Märkte kommen ließen viele von ihnen mit Bezug zu schlechten Krediten im US-Hypothekenmarkt. Diese Papiere repräsentierten einen Nominalwert von rund 600 Bio. $ mehr als zweimal so viel wie der ganze Rest der weltweit rechtlich dokumentierten Vermögenswerte, sei es Bargeld, seien es traditionelle Finanzanlagen oder anderes Eigentum. Die erstaunliche Menge dieser Papiere und die Tatsache, dass sie so verworren und schlecht dokumentiert sind, macht es schwierig, zu bestimmen, wie viele davon vorhanden sind, welchen Wert sie haben und wer sie besitzt. Weil das schiere Volumen dieser Finanzderivate alle anderen Papiere in den Schatten stellt, untergräbt der gegenwärtige Schlamassel auch eine der größten Errungenschaften des Eigentumsrechts: nämlich die Fähigkeit, jeden Vermögenswert (und den darauf bezahlten Zins) präzise isolieren und bestimmen zu können. Deshalb kann auch eine Ausfallquote von «lediglich» 7% auf amerikanischen Subprime-Hypotheken, die über Verbriefungen und Derivate einige hundert Milliarden Dollar an Papieren hat «toxisch» werden lassen, den ganzen Rest der Papiere in der Wirtschaft verseuchen.
Wir müssen das Vertrauen in rechtliche Dokumente wieder herstellen. Das bedingt, dass die «toxischen» Papiere gefunden und beseitigt werden. Die Behörden müssen dabei fünf Hürden überwinden, um einen überzeugenden Plan vorlegen und beherzt voranschreiten zu können ........
Anmerkung aus den nachdenkseiten:
Ein lesenswerter Aufsatz, der konzentriert vor Augen führt, was die von der Finanzindustrie gedopten Regierungen leichtfertig aufgegeben haben und wie schwierig es wird, diese Deregulierungen nicht nur zurückzudrehen, sondern neue Standards zu setzen. Wobei de Soto die letztendliche Schwierigkeit in ihrer Dimension verkennt. Die Deinstallation eines Systems von Regeln, Prozeduren und Standards ist nicht vom Himmel gefallen. Die eigentliche Untergrabung des Rechtssystems beginnt eine Ebene darüber, indem die Volksvertreter die Politik selbst zum Markt erklärt haben, in dem sie als profitorientierte Nutzenmaximierer agieren.
Die Münze auf diesem Markt ist nicht nur Geld, sondern auch Macht, Privilegien, Prominenz und andere Eitelkeiten. Ein Beispiel hierfür ist die Versicherung des früheren Bundeskanzlers Kohl in der Spendenaffäre, er habe sich nicht persönlich bereichert. Nur dass Parteispenden selten unmittelbar verwertet werden, aber über den Sieg der Partei in Wahlen die persönliche Macht der Funktionsträger weiterhin gesichert wird, welche die den Spendern genehme Politik fortführen können. In der auf den NDS einsehbare Dokumentation Wie Wallstreet und Washington die USA verraten haben lässt sich ohne weiteres eine Korrelation zwischen Spenden der Finanzindustrie und der Deregulierung dieser Branche herstellen. Wobei sich in Deutschland die Beispiele häufen, in denen Politiker ganz unverhohlen nach Ausscheiden aus der aktiven Politik mit Positionen in der von ihnen unterstützten Branche belohnt werden.
Wie soll man jetzt von der Politik, die eigentlich in letzter Verantwortung das gültige Rechtsystem auf den Finanzmärkten untergraben hat, erwarten, ihre eigene Politik hinterfragen und gar zu verwerfen. Schon die schlichte Forderung de Sotos, auf die bisherigen Finanzspezialisten zu verzichten, da die Finanzgemeinde weder die Absicht noch die Anreize oder ein wirtschaftliches Interesse daran die von ihm geforderte Rechtssicherheit herzustellen, ist sowohl in den USA als auch bei uns als gescheitert. Selbst der im Protest gegen die bisherige Politik gewählte amerikanische Präsident muss erkennen, dass die Wall Street angesichts der bisher beschlossenen Maßnahmen wie auch des von Obama installierten Personals den Eindruck hat, es gelte business as usual.
Sehr schön der von de Soto gezogene Vergleich zwischen dem nur mangelhaft dokumentierten und kaum durch ein Rechtssystem geschützten Eigentum in den Entwicklungsländern, wie seinem Heimatland Peru, und der Rolle der toxischen Papiere in der gegenwärtigen Krise. Ohne Peru nahetreten zu wollen, das Wort Bananenrepublik erhält für Deutschland eine weitere Dimension. In seinen Äußerungen zur Realwirtschaft, überbetont m.E. de Soto, sein Lebensthema als Forscher, die Rolle der Papier-Ökonomie. Lateinamerika krankt vor allem neben seiner schiefen Einkommens- und Machtverteilung an seiner rohstoffbasierten Ökonomie. Ostasien steht vor allem aufgrund des Aufbaus von industrieller Kompetenz besser da als das schon länger in die Weltwirtschaft integrierte Lateinamerika.