Kampf gegen "Schuldenschirmpolitik": Euro-Gegner bellen und beißen
Bisher mussten sich die Gegner der Euro-Rettungsschirme den Vorwurf gefallen lassen, dass sie Kritik üben aber keine Lösungen liefern. Kurz vor dem Sondergipfel zur Schuldenkrise ändert sich das: Sie legen einen Zehn-Punkte-Plan vor - zum Schutz des deutschen Steuerzahlers und zur Heilung Griechenlands.
Die Euro-Rebellen sind zurück - und stärker denn je. Das sagen sie zumindest über sich selbst. Monatelang war wenig von ihnen zu hören, kurz vor dem EU-Sondergipfel zur Schuldenkrise stemmen sich Abgeordnete von CDU und FDP wieder gegen den permanenten Rettungsschirm ESM und die Krisenpolitik der Kanzlerin. Doch dieses Mal belassen sie es nicht bei Ermahnungen und dem vereinzelten Stimmenentzug. Sie legen einen Plan vor, der deutsche Steuerzahler schützen und den Krisenländern eine neue Chance geben soll.
Schluss mit den Rettungsschirmen, eine strikte Trennung von Geld- und Fiskalpolitik, das Aus für Griechenland in der Euro-Zone, damit sich die Wirtschaftsleistung des Land durch eine Abwertung der eigenen Währung schnell verbessern kann – der Plan listet etliche Punkte, die darauf abzielen, dass Europas Staaten wieder mehr Eigenverantwortung übernehmen, für ihre Risiken selbst haften.
Der Kurs von Angela Merkel ist gescheitert. Das behauptet zumindest der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler. "Es ist ja nichts besser geworden in Europa", sagt er. Im Gegenteil: "Spanien ist infiziert, Portugal ist infiziert, Italien ist infiziert – am Anfang war es nur das kleine Griechenland."
Schäffler steht an der Spitze einer Bewegung, die sich gegen die Hilfsprogramme der EU stellt. 2010 widersetzte er sich seiner Fraktion bei der Abstimmung für den Rettungsschirm EFSF. 2011 strebte er einen Mitgliederentscheid der FDP gegen den dauerhaften Rettungsschirm ESM an und brandmarkte die Rettungsschirme als verfassungswidrig. Restlos erfolgreich war er mit all diesen Versuchen bisher nicht. Nun hat er zusammen mit neun weiteren Abgeordneten, Vertretern der Wirtschaft und dem Deutschen Steuerzahlerbund die "Allianz gegen den ESM" gegründet und jenen Zehn-Punkte-Plan erstellt.
Schäffler und seine Mitstreiter glauben, dass sie mit ihrem Kurs auf den Rückhalt der Bevölkerung vertrauen können. Und Umfragen geben ihnen Recht. Laut dem Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap wollen nur 23 Prozent der Deutschen, dass die Bundesrepublik Athen mit weiteren Milliardenzahlungen stützt. Ein harscher Kontrast zu den Mehrheitsverhältnissen in der Bundesregierung, in der die Mehrheit der Abgeordneten hinter dem Kurs der Rettungspakete steht. Sind die Männer und Frauen im Bundestag klüger als die Bürger, klüger als Schäffler und seine Mitstreiter?
Schäffler hat eine einfache Erklärung für die Diskrepanz zwischen den Positionen der Abgeordneten und der Wähler: "Wir sind in die Krise gestolpert als Bundesrepublik Deutschland", sagt er. Durch eine kollektiven Rechtsbruch, die Rettungspakete, habe die Bundesregierung ihr zu entkommen versucht. Die Verantwortlichen müssten nun feststellen, dass ihr Plan nicht aufgehe. "Es ist natürlich schwierig, Fehler einzugestehen", sagt Schäffler.
Der Liberale ist sich aber sicher, dass sich die Stimmung auch im Bundestag langsam wenden wird. "Die Gruppe derer, die gegen diese Schuldenschirmpolitik angeht, sie wächst", sagt er. Er belegt diese Behauptung mit dem Zustimmungsverhalten der Abgeordneten. Bei den ersten Abstimmungen über EU-Rettungsmechanismen gab es nur eine kleine Zahl von Abweichlern. Als es um die jüngste Erweiterung des ESFS ging, verpasste Schwarz-Gelb die Kanzlermehrheit.
Jetzt wackelt eine Zustimmung zum ESM gar. Eigentlich sollte der Bundestag schon Ende Mai über den Rettungsschirm abstimmen. Doch da der ESM im Paket mit dem umstrittenen EU-Fiskalpakt erfolgen soll, ist es fraglich, ob Schwarz-Gelb diesen Zeitplan einhalten kann
Schäffler und den anderen Abweichlern geht der angebliche Sinneswandel im Bundestag nicht schnell genug. Schließlich könnte der ESM, sollte er unabhängig vom Fiskalpakt zur Abstimmung kommen, noch breite Unterstützung finden. Und darüber hinaus steigt der Preis, den Deutschland für seine Uneinsichtigkeit zahlen muss, davon ist zumindest Schäffler überzeugt. "Durch jeden Tag, den wir verstreichen lassen, den wir das Haftungsprinzip nicht durchsetzen, an dem wir die Verantwortung der Gläubiger nicht einfordern, wird es am Ende schlimmer", sagt er.
Ob sich die Euro-Rebellen mit ihrer Allianz und ihrem Rettungsplan durchsetzen, ist zumindest fraglich. Die Entwicklungen in Europa gehen derzeit in gänzlich andere Richtungen. Athens linker Politaufsteiger Alexis Tsipras will aufs Sparen verzichten und die Hilfszahlungen weiter beziehen.
Ganz so weit gehen der neue französische Präsident François Hollande und die deutschen Sozialdemokraten zwar nicht, aber auch sie fordern weitere Hilfszahlungen - zusätzlich zu Sparmaßnahmen und Investitionen in Wachstum. Kanzlerin Merkel wiederum spricht stets davon, dass sie Griechenland auf jeden Fall in der Euro-Zone halten möchte. Vor diesem Hintergrund sind weitere Milliardenzahlungen für Griechenland wohl kaum auszuschließen.
Der Präsident des Bundes der Steuerzahler und das Mitglied der Anti-ESM-Allianz, Karl Heinz Däke, setzt darum darauf, dass der Widerstand in der Bevölkerung weiter wächst, dass sich immer mehr den Forderungen der Euro-Rebellen anschließen. "Wir haben alle das Gefühl, dass es uns prächtig geht", sagt Däke über die deutschen Bürger, doch er glaubt auch daran, dass ihnen nach und nach bewusst wird, dass nicht nur die Griechen sondern mittlerweile auch sie im Schuldensumpf steckten.