Die wichtigsten Auszüge aus einem Interview mit Bill Gross, einflußreichster Anleiheinvestor mit einem Anlagevermögen von rund 330 Mrd. Euro.
Die Welt: Alle erwarten von US-Notenbankpräsident Alan Greenspan eine Zinserhöhung Ende Juni. Was würden Sie an seiner Stelle machen ?
B.G.: Ich würde den Leitzins direkt um 100 Basispunkte von 1 auf 2 Prozent erhöhen. Dies hört sich gewaltig an, doch eigentlich wäre in dem derzeitigen Konjunkturumfeld sogar ein Leitzins von 3 Prozent angemessen. ...
Die Welt: Sie erwarten für Ende des Monats einen Zinsschritt von 100 Basispunkten ?
B.G.: Nein, nicht von Greenspan. Er wird nun zwar schnell, aber in kleineren Schritten die Zinsen erhöhen. Bis zu den US-Präsidentschaftswahlen im November haben wir einen Satz von 2 Prozent. Bis Mitte nächsten Jahres sind wir dann bei 3 Prozent.
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Die Welt: Doch wird der Ölpreis nicht auch in Europa für höhere Inflationsraten sorgen ?
B.G.: Die Inflationsgefahr sehe ich eher in den USA als in Europa. In den USA halte ich einen Preisauftrieb von jährlich 3 bis 4 Prozent für wahrscheinlich. Wegen der niedrigen Kreditzinsen ist dort viel billiges Geld im Umlauf, das den Wirtschaftsaufschwung unterstützt und die Inflation beschleunigt. Die Gefahr ist, dass die Preisentwicklung in den nächsten Monaten außer Kontrolle gerät.
Die Welt: Was heißt das ?
B.G.: Die Weltwirtschaft balanciert derzeit auf einem Hochseil. Links versucht die Inflation, sie in die Tiefe zu ziehen, rechts zerrt die Deflation.
Die Welt: Deflation ?
B.G.: Ja, es besteht die Gefahr, dass die Notenbank mit zu großen Schritten die Zinsen zu weit nach oben zieht. Alles über einem Satz von 3 Prozent wäre schon wieder schädlich. Dann würden einige Blasen platzen, die in den vergangenen Jahren mit viel billigem Geld gespeist wurden - an den Immobilien-, den Aktien- und den Anleihemärkten. Die US- und damit die Weltwirtschaft würden in eine Rezession stürzen.
Die Welt: Klingt nicht unbedingt nach einer Welt, die sich Investoren wünschen ?
B.G.: Die Unsicherheit hat in den vergangenen Monaten tatsächlich zugenommen. Neben dem Ölpreis und den ständigen Terrorsorgen spielt dabei Asien eine wichtige Rolle. Die amerikanischen Anleihemärkte hängen vor allem vom Geld asiatischer Notenbanken ab, zudem weiß keiner, ob die chinesische Wirtschaft und damit der gesamte asiatische Raum weiter so kräftig wachsen.
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Die Welt: Angenommen Sie hätten 10 000 Euro übrig. Was würden Sie machen ?
B.G.: Ich würde derzeit weder in Aktien noch in Anleihen investieren, sondern die sichere Variante wählen und kurzfristig auf den Geldmarkt setzen. Zwei Prozent für die kommenden 6 bis 12 Monate machen einen zwar nicht reich, aber man verliert auch nicht.
Die Welt: Sie wollen wirklich keine Anleihen ?
B.G.: Na ja, eine fünfjährige deutsche Staatsanleihe ist kein Fehler, aber Finger weg von US-Papieren.
Quelle: Die Welt, 11.6.2004, S. 17
Diese Aussage von einem der einflußreichsten Anleiheinvestoren sind doch bezeichnend für das, was uns blüht.