Aus der Neuen Solidarität 1-2/2007 (Abobeitrag)
Fremdfinanzierte Firmenübernahmen. Weltweit sind Zahl und Volumen der feindlichen und freundlichen Firmenübernahme auf Rekordhöhe gestiegen. Aber da dafür inzwischen in aller Regel riesige Kredite aufgenommen werden, ist garantiert, daß es ein böses Erwachen geben wird.
Die Explosion der sogenannten "leveraged buyouts" (fremdfinanzierten Übernahmen, LBOs) im vierten Quartal 2006 hat sich in den letzten Wochen des Jahres massiv verstärkt und fand am 18. Dezember ihren vorläufigen Höhepunkt, als für diesen Tag derartige Firmenübernahmen im "Wert" von 87 Mrd.$ anstanden. Es war der vierte Tag innerhalb von drei Monaten, an dem fremdfinanzierte Übernahmen im Umfang von über 75 Mrd.$ bekannt gegeben wurden. Bei den Übernahmen am 18. Dezember luden sich die übernommenen Firmen neue Schulden in Höhe von 57 Mrd.$ auf. Dadurch wurden zwei der größten betroffenen Firmen unmittelbar von "Investment-" auf "Ramschstatus" herabgestuft. In den 87 Mrd.$ noch nicht enthalten ist die 30-Mrd.$-Fusion der beiden weitgehend von der norwegischen Regierung kontrollierten Unternehmen Statoil und Hydro.
Da die Blase fremdfinanzierter Firmenübernahmen im Jahr 2006 auf einen "Marktwert" von fast 4 Bn.$ angewachsen ist, der weitgehend bloß auf neuen Krediten der Handels- und Investmentbanken und Hedgefonds beruht, droht vielen Nationen im kommenden Jahr ein Platzen der Unternehmensschuldenblase. Allein im Dezember belief sich der "Marktwert" der Firmenübernahmen auf volle 500 Mrd.$.
Neben der Plünderung vieler beteiligter Firmen erscheint dieser Übernahmenboom vielen Finanzaufsichtsbehörden wie ein Zwilling der Eigenheim- und Konsumentenkreditblase vor allem in den USA, die jetzt am Platzen ist. Der Umfang der Haushaltsschulden in den OECD-Ländern beläuft sich auf etwa 90% des BIP; 1990 waren es nur 29%. Aber auch die Unternehmensschulden in diesen Nationen werden Ende 2006 ungefähr 80% des BIP erreichen gegenüber 55% 1995. Und gerade das Volumen dieser Unternehmensschulden befindet sich derzeit in einer explosiven Ausdehnung. 1988, als die Übernahmeblase der achtziger Jahre platzte, war das Verhältnis weit geringer als 80%, und das Volumen der Übernahmen natürlich auch. Der gerade pensionierte Chef der Reserve Bank of Australia beispielsweise warnte, die gesamte Volkswirtschaft Australiens werde "fremdfinanziert", und das könne zu einem ähnlich sprunghaften Anstieg der Unternehmensschulden führen wie bei den Schulden der australischen Haushalte, die im letzten Jahrzehnt von 50% des verfügbaren Einkommens auf 150% angewachsen sind.
Das unkontrollierte Wachstum der Firmenübernahmen hat 2006 zu einer Rekordzahl von 33.000 Fusionen und Übernahmen im "Wert" von 3,9 Bn.$ geführt. Davon entfallen allein mehr als 1 Bn.$ auf eindeutig räuberische Übernahmen durch Kapitalanlagefirmen, Hedgefonds und andere "Heuschrecken" im Gegensatz zu Fusionen von Firmen, die im gleichen Wirtschaftssektor tätig sind. Aber auch bei diesen Fusionen und Übernahmen werden die Übernahmekosten inzwischen normalerweise bar bezahlt und nicht, wie beim Übernahmeboom 1999-2000, mit Aktien. Um an dieses Bargeld zu kommen, müssen die Firmen riesige Kredite von Banken, Hedgefonds u.a. aufnehmen. Und als „Sicherheit“ für diese Kredite dient die Verpflichtung, die Unternehmen und deren Belegschaft zu plündern und zu zerstören. "Die Gläubiger sind zunehmend bereit, aggressive Finanzierungspakete für Firmenkunden zu arrangieren", charakterisierte die Financial Times das Feuerwerk der Firmenpleiten, das derzeit vorbereitet wird.
Hinzu kommt, daß die privaten Kapitalanlagefirmen dem Vernehmen nach weitere 200 Mrd.$ in ihren Kassen haben, um sie in den letzten beiden Wochen des Jahres auszugeben, wobei die Banken in der Regel noch einmal das Drei- bis Vierfache zuschießen. Damit könnte noch in diesem Jahr die 4-Bn.$-Grenze und damit der Rekord aus dem Jahr 2000 um über 20% übertroffen werden.
Der Ökonom und demokratische Staatsmann Lyndon LaRouche fordert seit langem, daß die Regierungen eingreifen und diese Zerstörung aufhalten. In Südkorea traf nun der Oberste Gerichtshof eine Entscheidung, nach der viele der fremdfinanzierten Firmenübernahmen aufgrund eindeutiger Bestimmungen illegal sind. Dieses Urteil liefert ein klares Vorbild und eine politische Methode, wie die nationalen Parlamente in aller Welt – einschließlich der Vereinigten Staaten, dem Epizentrum der Seuche der verrückten Firmenübernahmen – eingreifen können, um einem Platzen der Blase der Unternehmensschulden, das eine Konkurswelle auf den Kreditmärkten auslösen würde, zuvorzukommen.
Eine weitere Warnung der Rating-Agenturen
Die Wirtschaftsforschungsabteilung der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) veröffentlichte am 14. Dezember einen Bericht, in dem sie vor einer bevorstehenden Pleitewelle bei Fremdfinanzierungen warnt, die auf den internationalen Kreditmärkten drohe. Darunter wird eine schnelle Folge von Zahlungseinstellungen auf möglicherweise sehr große Schulden verstanden, die den Opfern der Hedgefonds, privaten Kapitalanlagefirmen und Banken bei den Übernahmen und Fusionen aufgeladen wurden. "Die Räuber entziehen ihrer Beute Sonderausschüttungen, um ihre Investitionen schnell zurückzuerhalten, sodaß die Schuldenlast den Unternehmen aufgebürdet wird", zitierte Ambrose Evans-Pritchard den Bericht am 15. Dezember im Londoner Daily Telegraph. Die Gläubigerbanken selbst verlangen Risikoaufschläge, die mehrere Prozent der neuen Gesamtverschuldung erreichen können, und die Beraterbanken erheben weitere Gebühren in Höhe von oft 0,5% des Gesamtwerts der Übernahme. Weltweit führend in dieser Hinsicht im Jahr 2006 war das Bankhaus Goldman Sachs, das an fast 500 vermittelten Übernahmen rund 2,1 Mrd.$ verdiente.
Der S&P-Risikoprognose 2007 ging ein am 25. Oktober veröffentlichter Bericht mit ähnlichen Warnungen voraus. Darin hieß es, wenn die sich ausweitende globale Blase der "Fremdfinanzierungen" und der "besicherten Zahlungsverpflichtungen" (CDO) platzten, hätten die europäischen und amerikanischen Banken rund 40% der Verluste zu tragen, aber die Rentenfonds noch weit mehr. Ein großer Teil der Kreditvergabe der Banken ginge an die aufblühenden Hedgefonds und privaten Kapitalanlagefirmen, die immer mehr und immer riskantere Kredite aufkaufen, und die Banken rieten den Rentenfonds, ihr Kapital ebenfalls in diese Hedgefonds zu lenken, die diese Geldwelle wiederum in äußerst riskante Fremdfinanzierungen stecken – Kredite, die nur durch die Aussicht auf dramatische künftige Plünderungen, Kostensenkungen und industriellen Abbau "gerechtfertig" sind, in der Erwartung, daß sie das Risiko auf dem CDO-Markt über Wertpapier- und Finanzderivatkontrakte aneinander oder an Banken weitergeben können. Die Financial Times schrieb hierzu: "Die Hitze der Nachfrage der Investoren schmiedet Vielfachkredite und Strukturen, die noch vor zwei Jahren undenkbar schienen." Die Vielfachkredite bei solchen "Kapitalinvestitionen" belaufen sich inzwischen auf 6$ für jeden investierten Dollar.
S&P warnte in seinem Bericht und Konferenzgespräch vom 14. Dezember: "Die fremdfinanzierten Kredite sind explodiert... Während die Deckung für die Zinsen dünner wird, wird es mit Sicherheit vermehrt zu Zahlungsunfähigkeiten kommen... Eine vorsichtige Finanzierungspolitik wird aufgegeben. Der durchschnittliche Kaufpreis bei LBOs erreichte in den drei Monaten bis November eine Rekordhöhe vom 9,4-fachen der Erträge." Der größte Teil des Geldes für diese Käufe werde geliehen. S&P verweist auf beunruhigende Anzeichen wie dem "Trend zu Geschäften, deren Kreditrisiko nicht einmal bewertet wurde... Die große Frage ist, was [mit diesen Schulden] bei einer Abschwächung geschieht", warnt der Bericht. Und diese "Abschwächung" hat bereits begonnen.
So betrifft beispielsweise die neue Runde der gegenwärtigen Übernahmeversuche im Luftfahrtsektor – USAir übernimmt Delta, United und Continental fusionieren, AirTrans übernimmt Midwest – Fluggesellschaften, die schon jetzt dramatisch geschrumpft und ausgeplündert sind. Unternehmen, die im September 2001 noch 420.000 Mitarbeiter hatten, beschäftigen jetzt, fünf Jahre später, nur noch 264.000 Menschen. Die Gehälter wurden um 25% gekürzt, die Zahl der Flugzeuge sank um 12%.
Der künftige Vorsitzende des Verkehrs- und Infrastrukturausschusses im Repräsentantenhaus, James Oberstar (D-Minnesota), forderte am 13. Dezember das Justizministerium auf, die Fusion von USAir und Delta zu untersagen. Ansonsten, sagte er, werde er selbst Anhörungen ansetzen, um solche Fusionen zu verhindern.
Die schnell wachsende finanzielle Krebsgeschwulst
Aus New Yorker Finanzkreisen verlautet, daß von den weltweit 30-40.000 Fusionen und Firmenübernahmen in diesem Jahr vielleicht nur 1000 "fremdfinanzierte" Übernahmen waren (bei denen den Opferfirmen große Schulden auferlegt wurden). Aber diese fremdfinanzierten Übernahmen umfassen mehr als die Hälfte des Gesamtmarktwertes der Übernahmen, und den größten Teil der dabei eingegangenen Neuschulden. Etwa die Hälfte davon waren sogenannte "feindliche" Übernahmen oder Übernahmeversuche, bei denen oft große Kredite aufgenommen und die Opferfirmen um 20-40% über dem jeweiligen Marktwert bewertet wurden. Insgesamt sind die Firmenübernahmen der Hauptmotor der (derzeit noch) steigenden Aktienkurse, da sie große Geldmengen anziehen, mit denen im Rahmen der Übernahmen spekuliert wird. Die Investmentbanken und Gläubigerbanken erheben große Risikozuschläge in Höhe von bis zu 2,5% der Übernahmekredite. Für Hedgefonds sind diese Übernahmen profitabler als ihre bisherigen, auf Derivaten beruhenden Strategien, mit denen viel schwieriger umzugehen ist.
Die Strategie bei den fremdfinanzierten Übernahmen besteht darin, einen möglichst großen Teil der Mittel für die Übernahme zu leihen und die Rückzahlung dann durch den cash flow der Opferfirma oder den Verkauf ihres Besitzes zu finanzieren.
Ein Beispiel der extrem stark fremdfinanzierten Übernahmen ist der gegenwärtige Versuch der Übernahme des indischen Kommunikationskonzerns Hutchinson Essar (derzeit in Hongkonger Besitz) durch die Blackstone Group und Reliance Group, einem von mehreren konkurrierenden Angeboten für das Unternehmen. Die 15 Mrd.$ für den Kauf werden vollständig von der Citigroup und der UBS-AG bereitgestellt, wenn die Übernahme gelingt.
Bei der Übernahme der Fluglinie Quantas durch die Piraten der australischen Macquarie Bank Ltd. und der Texas Pacific Group werden 9 Mrd.$ an neuen Schulden aufgenommen, das 15fache der Erträge von Quantas. Dies war die umstrittenste Übernahme 2006; Quantas, bis 1995 noch ein Staatsbetrieb und im wesentlichen die einzige australische Fluglinie, die zu den bestgeführten Airlines der Welt gehörte, wurde plötzlich wie Persephone in den Hades der Kreditspekulation der privaten Kapitalanleger gestürzt.
"Bei diesem Geschäft geht es nur um die Schulden", erklärte ein Bankier gegenüber dem Sydneyer Herald. "Es wird nur funktionieren, wenn das Konsortium [das sich Airline Partners Australia nennt] 5-10 Jahre lang eine interne Ertragsrate von 20% erreicht. Wenn nicht, ist die Pleite abzusehen. Die Schulden von Quantas werden von 3,7 auf 12,5 Mrd.$ anwachsen, die jährlichen Zinsen von 158 auf 715 Mio.$. Die australische Regierung warnte am 18. Dezember, daß die Schulden von Quantas auf Ramsch herabgestuft und die Regierung das Unternehmen nicht retten werde.
Bei der feindlichen Übernahme von Caremark Rx durch Express Script – zwei der größten "Pharmazie-Leistungsmanager" im Dschungel der Billigkrankenkassen – sind 14 Mrd.$ an neuen Schulden im Spiel, neunmal so viel wie der Jahresgewinn der beiden Unternehmen. Infolgedessen könnten die Schulden von Caremark Rx auf Ramsch herabgestuft werden.
Die Übernahme der Realogy Corp., der die Immobilienunternehmen Century 21 und Coldwell Banker gehören, durch die Apollo Management Group wird mit 7 Mrd.$ an neuen Krediten von Morgan Chase und Credit Suisse finanziert. Die Schulden von Realogy wurden am 19. Dezember auf Ramsch herabgestuft, und die Kosten der Versicherung gegen eine Zahlungseinstellung sprangen von 0,6% auf 3% der Schulden.
Durch den Versuch der Übernahme von Delta durch USAir sollen die Schulden von Delta von jetzt 10 Mrd.$ auf gewaltige 23 Mrd.$ ansteigen. Diese zusätzlichen 13 Mrd.$ an Schulden sind das 25fache des letzten Jahresgewinns von Delta, der 2003 verbucht wurde. In Dokumenten, die Delta im Rahmen des laufenden Insolvenzverfahrens am 19. Dezember beim Konkursgericht einreichte und in denen sich Delta gegen den Übernahmeversuch wendet, heißt es, das Unternehmen würde durch die Übernahme 10.000 Arbeitsplätze und 180 Flugzeuge verlieren und insgesamt um 10% schrumpfen. Absurderweise sollen die neuen Anleihen ausgegeben werden, um ungesicherte Schulden von Delta zurückzuzahlen, die derzeit durch das Insolvenzverfahren eingefroren sind.
Die Übernahme des Bergbaukonzerns Freeport McMoRan Mining durch Phelps Dodge führt dazu, daß zwei Unternehmen, die bisher keine Nettoverschuldung hatten, mit 15 Mrd.$ Schulden beladen werden. Auf diese Weise verwandeln sich zwei Firmen, die beide ein AA-Rating hatten, in ein neues Unternehmen mit Ramschstatus.
Die Kapitalanlagefirmen Apollo Management und Texas Pacific haben 10,4 Mrd.$ an neuen Schulden aufgenommen, um die Casino-Gesellschaft Harrah's zu übernehmen. Dadurch verdoppeln sich Harrah's Schulden auf das Achtfache des Bruttogewinns und auf mehr als das 30fache seiner Jahreserträge.
Paul Gallagher