Der Goldstandard: Ein praktikables Konzept für das neue Jahrtausend?
Datum 02.02.2009 - Uhrzeit 23:22 (© BörseGo AG 2000-2009, Autor:
K?Daniel, Redakteur, © GodmodeTrader - http://www.godmode-trader.de/)
von Daniel Kühn
Die Finanzkrise stellt das Weltwährungssystem in Frage: Die ersten Experten fordern die Rückkehr zum Goldstandard – und damit die Aufgabe des ungedeckten Papiergeldes („Fiat money“)
Der Chefvolkswirt von Barclays Capital prescht am deutlichsten vor: Thorsten Polleit fordert die Rückkehr der Währungssysteme zum Goldstandard,
und gleichzeitig eine Belebung des Bretton Woods –Systems (die
Währungen, die goldbesichert sind, haben dann folgerichtig auch feste
Wechselkurse). Sein Vorschlag: Die Bindung der Bankverbindlichkeiten an
die jeweils in den Zentralbanken lagernden Goldmengen – ein erstaunlich
willkürlicher Ansatz. In Europa sind das rund 31.500 Milliarden EUR.
Bei voller Golddeckung entspräche dies einem doch recht sportlichen
Feinunzenpreis von 40.000 EUR. In den USA ergäbe der gleiche Ansatz
20.000 US-Dollar je Unze, woraus sich ein Wechselkurs von 1 EUR / 0,5
US-Dollar ergäbe (was doch recht auffällig von der Bewertung abweicht,
die der Markt aktuell dem Dollar zugesteht). Selbst bei bloßer
Anbindung der Geldmengen (und nicht der Bankverbindlichkeiten) käme man
auf 10.000 EUR bzw. 5.000 Dollar je Feinunze.
Es ist nicht überraschend, dass in der Krise die Reformideen blühen. Aber gerade jetzt die Rückkehr zum Goldstandard
zu fordern erscheint leicht grotesk. Der Patient Wirtschaft hat akute
Probleme. Wenn jemand mit geöffnetem Bauch auf dem Operationstisch
liegt, dann muss man ihn operieren so dass er weiter leben kann.
Änderungen im Lebenswandel, die möglicherweise zu der
Eingriffsnotwendigkeit geführt haben, kann man erst nach der Genesung
angehen.
Aktuell fehlt es der Wirtschaft an verlässlicher Güter-Nachfrage und
einer stabilen Geldversorgung. Das Papiergeldsystem mag ein
Mitverursacher der Krise gewesen sein, aber akut schadet die
Infragestellung des Systems mehr als sie nutzt. Schließlich soll
Vertrauen einkehren und nicht Panik. Die exzessive Geldhortung und
Liquiditätspräferenz zeigt zudem nicht gerade ein allgemeines
Misstrauen in das Geldsystem an sich. Wenn das so wäre, müssten Anleihen
extrem gemieden werden und Sachwerte stark gesucht sein. Beides ist
nicht der Fall, wie man am rapiden Verfall aller möglichen Asset-Klassen ablesen kann.
Gold ist allerdings der einzige „Rohstoff“, der nahe an seinem
Alltimehigh notiert. Neben seinem traditionellen Ruf als Krisenwährung
trägt die Knappheit des Edelmetalls dazu bei. Die Minenproduktion liegt
bei rund 2200t pro Jahr, mit Notenbankverkäufen und Recycling kommt man
auf eine Angebotsmenge von etwa 3700t pro Jahr. Die Nachfrageseite wird
mit knapp 70% (jedenfalls noch) von der Schmuckindustrie dominiert, die
Industrie fragt 13% nach, die Investmentseite 19% (Durchschnitts-Zahlen
2003 bis 2007). In Euro gerechnet, ist der jährliche Goldmarkt also
rund 75 Mrd. EUR schwer. Insgesamt gibt es derzeit rund 160.000t Gold
(Quelle: Gold World Council, http://www.gold.org) , wobei in etwa die Hälfte
in Schmuck verbaut ist, rund 18% lagern bei den Zentralbanken, und 16%
im Investmentbereich (Barren, Münzen etc). Angesicht der
Billionen-Summen, die derzeit ohne Wimpernzucken aus dem Boden gestampft werden, ist das natürlich nicht viel.
Zurück zum Goldstandard:
Als es diesen noch gab, war die Finanzwelt eine völlig andere als
heute. Bargeld und Zentralbankgeld machten den Großteil der Geldmenge
aus. Heute dagegen dominiert das Buchgeld im Bankensystem stark mit
ca. 90% Anteil. Schon alleine deswegen verbietet sich ein Vergleich zu
früher. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit ein paar tausend Tonnen
Gold in den Safes der Zentralbanken eine „Deckung“ des umlaufenden
Geldes darstellen sollen (zumal über 80% des Goldes ja eben NICHT bei
den Zentralbanken liegt). Wenn man eine Summe von 40.000 EUR (dafür
bekommt man in manchen Gebieten schon eine kleine Eigentumswohnung) mit
einer Unze Gold (31,1 Gramm!) deckt, dann kann man es gleich sein
lassen. Von einem inneren Wert in die Höhe zu sprechen ist wohl leicht
daneben kalkuliert.
Bleibt als einziger Vorteil die Begrenzung des Geldmengenwachstums,
wenn das im heutigen Bankensystem überhaupt mit diesen Mitteln machbar
ist.
Dies aber ist ein schwaches Argument. Wenn der Wille vorhanden ist,
lässt sich dies auch gänzlich ohne Deckung machen – mit gesetzlichen
Regelungen. Die Geldschöpfung im Banksystem lässt sich zudem
hervorragend mit den Mitteln der Mindestreserve und –noch wichtiger –
der Eigenkapitalunterlegung von Krediten steuern. Die Akutdiagnose
Kreditklemme verlangt aber eher eine Erleichterung der Kreditvergabe.
Die Verfechter des Goldstandards
unterliegen seinem Reiz in geradezu religiösem Eifer. Das muss wohl an
dem faszinierenden Glanz liegen, der wirklich einen besonderen Charme
hat. Der komplexen, globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts mit 6,5
Milliarden Einwohnern kann man mit dem äußerst unflexiblen Goldstandard kaum begegnen. Nicht zu vergessen ist außerdem, dass er eine trügerische Sicherheit bietet. Die diversen Goldstandards
in der Geschichte sind allesamt von den Regierenden wieder abgeschafft
worden…schon alleine dieser Fakt sollte der Diskussion Einhalt
gebieten.
Das sollte Sie aber nicht daran hindern, ihren eigenen Goldschatz zu
hüten: 40.000 EUR pro Unze sollte allerdings nicht ihr Kursziel sein.
Autor: Daniel Kühn
Chefredakteur Traders-Journal