Private Rentenversicherung wird verstaatlicht - Geld fliesst in Staatshaushalt
Ungarn greift für den Abbau der hohen Schulden zu radikalen Methoden. Das Land verstaatlicht einen Teil des Geldes, das die arbeitende Bevölkerung für ihre Pensionierung zurückgelegt hat. Es geht um 14 Milliarden Franken der seit 1998 existierenden privaten Säule des Versicherungssystems.
chs./(sda/ddp) Das ungarische Parlament hat mit den Stimmen der rechts-konservativen Regierungsmehrheit den umstrittenen Umbau des staatlichen Rentensystems beschlossen. Der private Teil der Altersvorsorge geht an den Staat über. Vertreter der linken und grünen Opposition sprachen im Parlament von «Rentenklau» und «Diebstahl».
Rund drei Millionen Bürger haben in den vergangenen zwölf Jahren in der obligatorischen privaten Zusatzversicherung insgesamt knapp 3000 Mrd. Forint (knapp 14 Mrd. Franken) angespart. Sie werden nun faktisch enteignet. Ihr Geld soll dazu verwendet werden, das Defizits der staatlichen Rentenversicherung zu senken. Ausserdem sollen damit Staatsschulden zurückbezahlt werden.
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Wahlmöglichkeit als Farce
Auf dem Papier können Ungarns Bürger zwar weiter in der obligatorischen privaten Säule versichert bleiben. In diesem Fall verlieren sie nach dem neuen Gesetz aber jeglichen Anspruch auf eine staatliche Rente. Die Wahlmöglichkeit wird allerdings auch dadurch zur Farce, dass die Beschäftigten auch beim Verlust der ersten Säule weiterhin den Grossteil ihrer Pflichtbeiträge in den staatlichen Rentenfonds einzahlen müssen.
Lohne könnte sich der Verzicht auf die staatliche Versicherung laut Experten allenfalls für jüngere Beschäftigte. Eine neue Regierung könnte nämlich den «strafweise» verhängten Ausschluss von der staatlichen Rente wieder rückgängig machen.
Drei Säulen wie in der Schweiz
Das ungarische Rentensystem bestand bisher wie in der Schweiz aus drei Säulen: Den grösseren Teil ihrer Beiträge zahlen die Ungarn in die staatliche Pflichtversicherung ein. Sie entspricht bei uns der AHV. Daneben fliesst ein kleinerer Pflichtanteil in eine private Zusatzversicherung. Als zusätzliche Absicherung für das Alter besteht zudem die Möglichkeit, freiwillige Zusatzversicherungen abzuschliessen.
Diese dritte Stufe des Rentensystems ist vom neuen Gesetz nicht betroffen. Verstaatlicht wird die private Zusatzversichherung. Sie war 1998 eingeführt worden, um den staatlichen Rentenfonds zu entlasten, wenn künftig geburtenschwächere Jahrgänge das Rentenalter erreichen.
Orban braucht finanziellen Spielraum
Ministerpräsident Viktor Orban will sich nach Ansicht von Kritikern durch die Enteignung der privaten Rentenvermögen Spielraum für seine Wirtschaftspolitik schaffen. Diese sieht unter anderen Steuersenkungen für Unternehmen und wohlhabende Familien mit Kindern vor.