Interesse an Gold wächst
Experten erwarten für das Edelmetall eine nachhaltige Wertsteigerung
Gold steht wieder im Fokus der Anleger. Angetrieben von steigender Nachfrage, legte der Goldpreis seit Wochen kräftig zu und notiert aktuell bei 435 Dollar. Das Bemerkenswerte: Der Goldpreis ließ sich in keiner Weise von der aktuellen Dollar-Stärke beeinflussen. Traditionell ist der Goldpreis stark an die US-Währung gekoppelt, weil Gold an den großen Finanzplätzen in Dollar gehandelt wird. Normalerweise setzt ein steigender Greenback Gold unter Druck, da das Edelmetall dann für Anleger mit Fremdwährungen teurer wird.
Auch in Euro verbesserte sich Gold deutlich. So knackte Anfang vergangener Woche der Goldpreis die charttechnisch wichtige Marke von 350 Euro. Damit, so sind sich die Experten einig, steht einer weiteren Aufwärtsbewegung nichts im Wege. "Für Euro-Gold-Anleger wird es jetzt interessant", sagt Markus Stahl, Rohstoffexperte der Stuttgarter BW Bank. "Ich rechne mit einem steigenden Goldpreis auch in Euro." Er sieht bis Jahresende ein Potential von 25 Prozent. Aber auch in Dollar werde Gold weiter zulegen. "500 Dollar sind möglich", sagt Stahl.
Noch euphorischer ist Robert Hartmann vom Münchener Goldhandelshaus Pro Aunum. "Diesen Sprung über die seit 16 Jahren schier unüberwindbare Marke von 350 Euro pro Feinunze halten wir für den Beginn der zweiten Hausse-Phase am Goldmarkt." Gold verzeichne auch gegen alle anderen Währungen einen Wertzuwachs, nachdem es seit den Tiefs im Jahr 2001 gegen den US-Dollar bereits mehr als 70 Prozent zulegen konnte. Zum Vergleich: Zum Euro hat Gold seit 2001 erst um knapp zehn Prozent gewonnen. "Das Potential ist groß. Der Weg ist nun frei für 400 Euro pro Feinunze", sagt Hartmann.
Vor allem Privatkunden hätten auf die neue Entwicklung reagiert und fast ausnahmslos Kauforders abgegeben. "Die Anlageklasse Gold scheint wiederentdeckt zu werden", sagt Hartmann. Eine Rolle spielt dabei vor allem die steigende Nachfrage: Laut World Gold Council war die physikalische Nachfrage nach Gold im ersten Quartal 2005 um mehr als ein Viertel höher als im Vorjahreszeitraum. Die Ursachen dafür seien vor allem die Schmuckindustrie, starke Käufe von Münzen und Goldbarren sowie Investments von goldgedeckten Exchange Traded Funds. Aber auch die politische und wirtschaftliche Unsicherheit habe Investoren verstärkt zu Goldkäufen getrieben.
Viele Anleger mißtrauen zunehmend der Stabilität der Papierwährungen. Gold dagegen gilt als wertbeständig. "Es ist für Anleger ein gutes Instrument zum Schutz vor Inflation", sagt BW-Rohstoffexperte Stahl. Gold habe historisch gesehen die Inflationsraten immer ausgeglichen. Dem gelben Metall kommt die Unentschlossenheit am Devisenmarkt entgegen, da immer mehr Kapital in Gold umgeschichtet würde. Die momentane Aufwärtsbewegung bei Gold rühre vom schwindenden Vertrauen in die Hauptwährungen her. "Gold ist nicht nur gegen Dollar und Euro fest, auch in anderen Währungen hat der Goldpreis zugelegt", sagt Goldhändler Hartmann. Heino Reents
Artikel erschienen am 19. Juni 2005
Welt am Sonntag