Diese Eigendynamik, von der keiner weiß, wie weit sie sich noch entwickelt, macht die Lage so gefährlich. Zwangsläufig bekommen jetzt auch Hedge-Fonds Probleme, die viel zitierten "Heuschrecken", denn diese finanzieren ihre Mega-Übernahmen bekanntlich mit riesigen Kreditsummen. Wenn sich nun aber keine Gläubiger mehr finden, die bereit sind das Risiko zu tragen, sind auch deren Deals gefährdet.
Die Krise ist real - Die Ursachen
Verstehen Sie mich nicht falsch: Die Krise ist real, verdammt real! Und die Branche ist zum großen Teil selber daran schuld, weil sie zu Boomzeiten in eine Art Goldgräber-Stimmung verfallen ist und bei der Kreditvergabe sämtliche Risiken unter den Tisch gekehrt hat. Das gipfelte in der Vergabe von sogenannten "interest-only"-Hypotheken:
Das sind Hypothekenkredite bei denen die Schuldner in den ersten Jahren nach dem Abschluss nur Zinsen bezahlen mussten, aber keine Tilgung. So konnten auch Leute, die eigentlich auf Grund Kapitalmangels keine Chance dazu hatten, ihren Traum vom Eigenheim verwirklichen.
Leider kann sich aber dieser Traum schnell zum Albtraum entwickeln. Denn: Zu allem Überfluss waren diese Kredite auch meistens noch mit variablen Zinsen versehen. In Phasen absoluter Niedrigzinsen war das natürlich eine feine Sache. Die Zinslast schlug kaum zu Buche und auch finanziell schwache Schuldner konnten ihrer Pflicht nachkommen.
Doch nun droht der Albtraum Wirklichkeit zu werden. Waren die faulen Kredite bisher noch auf die absolut Schwächsten der Schwachen beschränkt, war noch dazu häufig einfach Betrug beim Abschluss im Spiel, sei es von Seiten des Schuldners oder von Seiten des Gläubigers, so weitet sich der Kreis nun immer mehr aus. Die Ursache sind genau diese variablen Zinssätze.
Der Zins steigt auf einen Schlag um mehrere Prozent!
Seit Frühjahr 2005 wurden Kredite besonders populär, bei denen in den ersten zwei Jahren die Zinsen künstlich niedrig gehalten wurden. Denn angesichts bereits gestiegener Zinsen konnten viele Bürger nur so noch das Haus bauen, das sie gerne haben wollten. Nun aber kommt die Zeit in der das sogenannte "Resetting" der Kredite vorgenommen wird. Das heißt die Zinslast steigt für die Schuldner auf einen Schlag - oft um mehrere Prozent.
Das bedeutet häufig mehrere 100 US-Dollars an Mehrbelastung monatlich. Eine weitere Beleihung der Häuser, die häufig quasi komplett "der Bank gehören", ist in den allermeisten Fällen aber nicht möglich, weil der Wert derselbigen im Durchschnitt stark gefallen ist. Das traurige Ergebnis ist dann oft, dass der Bauherr schlicht zahlungsunfähig wird.
Die Investmentbanker von Credit Suisse haben ausgerechnet, dass das dicke Ende erst noch nachkommen dürfte. Denn: Der Spitzenmonat für das "Resetting" der alten Kredite dürfte der Oktober werden. Hypotheken im Wert von mehr als 50 Milliarden US-Dollar springen dann erstmals auf einen deutlich höheren Zinssatz um. Das Level wird bis September 2008 Monat für Monat bei einem Betrag von über 30 Milliarden US-Dollar liegen.
Alles in allem werden in diesem und im nächsten Jahr Hypothekenkredite im kaum vorstellbar hohen Wert von rund einer Billion(!) US-Dollar auf einen höheren Zinssatz "umspringen". Das entspricht ungefähr 12 Prozent aller ausstehenden Hypotheken. Vor einigen Jahren war der Anteil dieser Hypotheken mit variablen Zinssätzen noch ein Vielfaches geringer.
Kommt es zu neuen Hedge-Fonds-Desaster?
Auch Berichte über Hedge-Fonds-Pleiten ließen nicht lange auf sich warten. Bei der Investmentbank Bear Stearns sind wegen der Subprime-Krise gleich drei Fonds in Schieflage geraten, darunter auch zwei Hedge-Fonds. Diese hatten in hypothekenbesicherte Kreditderivate investiert.
Das Problem bei Hedge-Fonds ist der hohe Hebel, den viele einsetzen. Das hat zur Folge, dass sie bereits bei relativ geringen aber unerwarteten prozentualen Wertverlusten des Basiswerts (in diesem Fall der Hypothekenkredite) gezwungen sein können, Positionen aufzulösen. Das kann dann Kettenreaktionen in Gang setzen, die die Situation weiter zuspitzen.
Der Wert des Fonds sinkt, Investoren bekommen Angst und ziehen ihr Geld ab, der Fonds muss weitere Positionen zu schlechten Preisen glattstellen, der Wert des Fonds fällt weiter, Investoren bekommen noch mehr Angst etc. Das hört sich einfach an, aber der Einfluss den die Psyche der Anleger hat, darf nicht unterschätzt werden. Gestern nun stufte die Rating-Agentur Standard & Poors das Kreditrating von Bear Stearns auf "negativ". Die Aktie verlor daraufhin um über sechs Prozent an Wert.
Auch die Citibank musste diese Erfahrung bei sogenannten Leveraged Loans machen. Das sind Kredite, die an Unternehmen zu variablen Zinsen herausgegeben werden und eine unterhalb der Bonitätsgrade BBB oder Baa3 liegende Bewertung aufweisen. Sie sind durch Immobilien, Fuhrpark, Maschinen oder das Inventar des Kreditnehmers besichert.
Im Zuge der zuletzt umgreifenden Panik fand die Citibank nun für Teile dieser Kredite keine Abnehmer mehr. Wenige Wochen vorher waren ihnen dieselben Produkte von institutionellen Anlegern, die ihre überbordenden liquiden Mittel renditestark anlegen wollten, noch geradezu aus den Händen gerissen worden. Bei vier Transaktionen im zweiten Quartal gab es diese Probleme - unter anderem auch beim Kreditarrangement für die Chrysler-Übernahme durch den Finanzinvestor Cerberus (siehe auch Daimler-Bericht in der letzten Monatsausgabe des GR).
In der Folge musste die Citibank für einen größeren Teil dieser Kredite das Risiko selbst tragen und für einen weiteren Teil die Kreditkonditionen attraktiver machen, um Interessenten zu finden. Das wiederum könnte sich negativ auf den Ertrag der Bank auswirken und damit natürlich auch auf die Aktie. Sie erkennen leicht die Zusammenhänge und ihre Rückwirkungen auf andere Bereiche, die das System insgesamt ins Wanken bringen können.
Die Argumente der Bullen
Doch so dramatisch dürfte es kaum werden. Im Gegenteil, auch die Argumente der Bullen haben durchaus Gewicht. Das Beste gleich vorneweg: Keiner hat ein Interesse daran, dass es zum Super-GAU kommt. Die Banken werden daher mit den Hausbesitzern verhandeln, es wird Sonder-Pools geben, staatliche Hilfsmaßnahmen, neue restrukturierte Kredite werden ausgearbeitet werden.
Ist erstmal klar, dass mit vereinten Kräften gekämpft wird, dann wird es auch neue Kapitalquellen geben, die die jetzt untergegangenen Subprimer ersetzen. Eine Marktbereinigung war und ist angesichts der vorangegangenen Exzesse bitter notwendig. Anleger, die auf einen Rebound der gefallenen Werte setzen, könnten enttäuscht werden, denn für ein paar wird es mit Sicherheit heißen: "They never come back".
Richtig hart trifft es momentan ohnehin vor allem die sogenannten Real Estate Investment Trusts (REITs), weil diese auf die Refinanzierungen durch die Banken angewiesen sind. Banken mit eigenem Einlagengeschäft und einem Anschluss an das staatliche Federal Home Loan Bank-System, sind nicht in Gefahr, und könnten im Endeffekt sogar zu den großen Gewinnern zählen.
Dazu gehört beispielsweise ein Unternehmen wie IndyMac (US-Kürzel IMB; WKN 874448). Die Aktie verliert zwar aktuell ebenfalls dramatisch an Wert und es empfiehlt sich auch hier nicht ins fallende Messer zu greifen. Aber durch die Umwandlung des Unternehmens von einem REIT in eine Spar- und Kreditbank im Jahr 2000 hat man sich selbst gegen eine derartige Krise weitgehend abgesichert.
Auch dem Argument, dass die zuletzt fast gänzlich ausbleibenden Mega-Übernahme-Deals der Private Equity-Gesellschaften darauf hindeuten, dass der Bullenmarkt zu Ende geht, widersprechen die Optimisten. Die Zeit bis zum Labour Day (Erster Montag im September) sei die klassische Urlaubszeit und traditionell arm an großen Deals. Danach werde es wieder deutlich lebhafter werden, wird versichert. Pensionsfonds, Universitäten und ausländische Regierungen werden weiter enorme Summen in diesen Fonds anlegen.
Letztlich läuft es auf das Statement hinaus: "Wir befinden uns dank des globalen Wirtschaftswachstums in einem der größten Bullenmärkte aller Zeiten - und ein Ende ist nicht in Sicht!" Explodierende Unternehmensgewinne sind die Folge und die aktuelle Quartalssaison bringt - auch wenn sie nicht so gut ist wie im ersten Quartal - unter dem Strich überzeugende Ergebnisse.
Wer hat nun Recht?
Eines scheint sicher: Die Krise ist noch nicht ausgestanden! Während ich diese Zeilen schreibe, verlieren gestandene DAX-Werte wie die Commerzbank oder die Hypo Real Estate sechs Prozent und mehr an Wert - aus Angst davor, die Konzerne könnten ebenfalls in die US-Immobilienkrise hineingezogen werden!
Der französische Versicherungsriese AXA meldet ebenfalls am Freitag, dass zwei seiner Subprime-Fonds betroffen und vorübergehend geschlossen worden seien. Mike Perry, CEO der oben angesprochenen IndyMac, schrieb in einer internen E-Mail an die Mitarbeiter, der Markt für hypothekengesicherte Anleihen sei derzeit "sehr panisch und illiquide". Daher seien drastische Veränderungen bei den Vertragsbedingungen und der Preisrichtlinien erforderlich.
Die neuesten US-Arbeitsmarktdaten fielen zu allem Überfluss ebenfalls deutlich unter den Erwartungen aus und belasteten den Markt im frühen Handel zusätzlich.
Mittelfristig mögen die Bullen ja erneut Recht behalten, doch Käufe auf breiter Front scheinen zum jetzigen Zeitpunkt eindeutig verfrüht.
MEIN FAZIT:
Mittelfristig scheint eine Lösung "mit vereinten Kräften" möglich
- Die US-Immobilienkrise zieht weitere Kreise als zunächst gedacht
- Die sich ausbreitende Risikoaversion bzw. sogar teilweise Panik verschärft die Situation zusätzlich
- Weitere Hiobsbotschaften sind vorprogrammiert, weil die Zinszahlungen für viele Hypothekenkredite in den kommenden Monaten dramatisch steigen werden
Kurzfristig lautet das Motto: Abwarten und nicht zu früh in den Markt gehen!