Heute möchte ich noch einmal kurz Stellung nehmen zu meinem vorgestern eingestellten Artikel bzgl. Finanzkrise, Vorsorge und Netzwerken.
Um zum Thema hinzuführen, will ich noch einmal vorneweg den aus meiner Sicht, unabhängig diesmal von der zeitlichen Einordnung, wahrscheinlichen Verlauf der Krise und die damit zusammenhängenden Konsequenzen kurz skizzieren.
Wir müssen uns immer vergegenwärtigen, ein großer, der überwiegende Teil des heutigen Wirtschaftsleben dient nicht primär der Bedürfnisbefriedigung der Bevölkerungen, sondern ist im Wesentlichen das Resultat aus einer kreditgetriebenen Wirtschaftsweise, welche immer mehr Verschuldung benötigt, und zur Bedienung dieser stets steigenden Verschuldung ein immer mehr und immer weiter losgelöstes Wachstum der wirtschaftlichen Aktivität. Der Anteil der eigentlichen Nettowertschöpfung im Produktivsektor (Landwirtschaft, Handwerk, Mittelstand sowie produzierende Industrie) sinkt immer weiter ab zugunsten des Dienstleistungs-, Finanz- und Behördensektors.
Bis dann schlussendlich irgendwann der Punkt erreicht ist, an dem sich entweder nach den Theorien des Debitismus einfach keine neuen Nachschuldner mehr finden, oder aufgrund sich häufender Forderungsausfälle und steigendem Misstrauen zwischen Marktteilnehmern weniger oder keine Kredite mehr vergeben werden. Genau an diesem Punkt stehen wir jetzt: durch den Zusammenbruch des Ostblocks, die Globalisierung und nicht zu vergessen die Ökobewegung wurde dieser Punkt um ca. 20 Jahre hinausgezögert; eigentlich wäre Ende der 80er Jahre das schulden- und kreditbasierte Wirtschaftssystem (Kapitalismus) bereits am Ende gewesen.
Doch was passiert dann in der Praxis?
- In Phase 1 versuchen die zusehends höher verschuldeten Unternehmen, durch Kaufanreize, Finanzierungen und Preisnachlässe ihren Absatz weiter über das natürliche Maß hinaus zu steigern, um ihren Verpflichtungen gegenüber Kreditgebern und Aktionären nachkommen zu können. Bestes Beispiel hierfür sind die Autohersteller, hier sind mittlerweile 2/3 der Neuverkäufe kreditfinanziert; durch zwischengeschaltete Vertriebsgesellschaften und hauseigene Finanzinstitute wurden die produktionsseitigen Aufwendungen der Muttergesellschaft unmittelbar abgegolten und die daraus entstehenden Verbindlichkeiten über die Finanzmärkte in Form irgendwelcher Konstrukte auf Dritte abgewälzt. Diese Phase reichte von ca. Mitte der 90er Jahre (Clinton-Regierung) bis Anfang 2008.
- Phase 2: Nachdem der Weiterverkauf dieser Verbindlichkeiten an Dritte nicht mehr funktioniert, bricht die Lawine rückwärts zusammen. Zuerst sinkt der (künstlich in die Höhe getriebene) Absatz, und zwar nicht auf Normalniveau, sondern deutlich darunter, da ja erst noch das aus der Zukunft antizipierte Absatzvolumen kompensiert werden muss! In der Folge wird die Produktion zurückgefahren, und aufgrund der einbrechenden Leistungsseite auch die Vorleistungen in die Zukunft, d. h. Forschung und Entwicklung. Eine zeitliche Einordnung ist hier schwierig, da staatliche Maßnahmen mit in Betracht gezogen werden müssen, in Summe ist jedoch eine Zeitdauer von max. 2 Jahren realistisch, d. h. bis Ende 2009/Anfang 2010
- Damit ist das Übel jedoch noch nicht abgeschlossen. Durch Rückkopplungseffekte werden weitere Schuldner zahlungsunfähig, Forderungsausfälle steigen dramatisch an. Nun kommt die Phase 3, die des völligen Vertrauensverlustes in jegliche Form von Kredit. Ich bezeichne diese Phase als „Frosting-Phase“, d. h. das Einfrieren des Wirtschaftslebens. Wer etwas kaufen will, kann das nur, wenn er vorher über den Großteil der Mittel verfügt. Und wer etwas verkaufen will, macht dies nur gegen Vorkasse! Das Ergebnis hieraus ist eine deutliche Verlangsamung des Wirtschaftslebens, will heißen, die Dauer Produktions- und Logistikkette bestimmt den Warendurchsatz. Man sieht hier sehr schnell, dass in einer Phase globalen Vertrauensverlustes es gänzlich unmöglich ist, globalisierte, hoch arbeitsteilige Strukturen aufrecht zu erhalten. Wenn ein Produkt z. B. mit 7 Unterlieferanten gefertigt wird, und der Transport jedes Mal 2 Wochen dauert, und dieser erst erfolgt, nachdem bezahlt ist, dann würde das Produkt, das vielleicht in 20 Stunden zusammengebaut ist, sage und schreibe mehr als 14 Wochen brauchen, von der Auftragsvergabe bis zur Auslieferung, ohne Vertriebsprozess! Im Gegensatz zu heute ist das der Faktor 5-7, d. h. die Geschwindigkeit des Wirtschaftsprozesses sinkt umgekehrt auf 1/5 oder weniger. Genauso das Logistikaufkommen, der Kapitalumschlag, die Wertschöpfung genauso!
So eine Phase dauert max. 1 Jahr, meist noch weniger und endet mit dem Untergang der meisten Banken, aller Anleihen, Versicherungsforderungen und der meisten Aktiengesellschaften.
In diesem Zusammenhang habe ich mit Günter Hannich, der ja bekannter Maßen ein notorischer Goldhasser ist, eine lebhafte Diskussion geführt, im Zuge derer Hannich steif und fest behauptet hätte, dass alle Produzenten bis zum Schluss auf Kredit und Vertrauen liefern würden. Ich entgegnete damals, dass in einer wirklichen Finanzkrise ausschließlich gegen Vorkasse geliefert würde und aus Mangel an Kapital vielerorts wieder Bartergeschäfte an der Tagesordnung sein werden (z. B. Stahlrohre gegen Kohle, Kühlschränke gegen Weizen, etc.). Hannich begeht, obwohl ich seine Analysen weitgehend teile, noch dazu den fatalen Fehler, anstatt Gold Bargeld zu horten, und übersieht dabei völlig, dass in der laufenden Krise alle Währungen miteinander untergehen werden, und es max. wenige Monate sinnvoll sein kann, Bargeld zu haben. Wobei dann der nächste Denkfehler kam, denn Hannich wollte partout nicht einsehen, dass eine Hyperinflation spätestens dann unvermeidlich sein wird, sobald die Staaten beginnen, ihre eigenen Anleihen unbegrenzt zu monetarisieren, d. h. in M1 oder wenn es nicht anders geht M0 (Bargeld) zu überführen. Das Endergebnis sehen wir in Simbabwe.
- Sobald diese Frosting-Phase weite Teile des Wirtschaftlebens erfasst, wird in aller Regel der Staat auf den Plan treten (müssen) und durch gezielte Eingriffe die strategischen Sektoren (Energie, Telekom, Eisenbahn) sowie die Grundversorgung mit Lebensmitteln versuchen sicherstellen. Dies ist die Phase 4, jene des „Super-Frosting“, d. h. einer zusammenbrechenden Wirtschaft wird ein starres bürokratisches, staatliches Korsett übergestülpt. Ob und wie lange dies gut geht, hängt ausschließlich von der Fähigkeit der staatlichen Lenker und der Richtigkeit der von ihnen festgesetzten Maßnahmen ab. Letzten Endes ist entscheidend, ob sie die Fehler, die zur wirtschaftlichen Katastrophe geführt haben, über Bord schmeißen und eine neue Wirtschaftsordung herzustellen versuchen, oder ob sie nur versuchen das System zu retten.
Solche Dinge wie z. B. die im „Gelben Forum“ von @Jacques, Dottore und Co. diskutierte Zwangsanleihe oder eine Währungsreform ohne grundlegende Systemänderung würden in meinen Augen freiweg in die Katastrophe führen, d. h. über kurz oder lang völliger wirtschaftlicher Zusammenbruch (weil die Leistungsträger schlicht die Schnauze voll haben und ihrerseits die Motivation zur Leistung gezwungener Maßen verloren haben), Revolten und bürgerkriegsähnliche Zustände (weil die von staatlicher Umverteilung lebenden Massen nichts mehr umverteilt bekommen, weil die Leistungsträger nichts mehr leisten).
Leider habe ich große Zweifel, ob die Beamtenhorden in den Regierungsstellen dies ähnlich sehen, denn diese werden in erster Linie versuchen, ihre Pfründe zu retten; ein grundlegender Systemumbau hin zur Wertschöfung würde ja in erster Linie den überbordenden Bürokratismus und die Flut sinnloser Gesetze und Verordnungen überflüssig machen, und somit auch die damit Zusammenhängenden Heerscharen von Verwaltungsangestellten, Beratern, Juristen etc.
Es braucht hier keiner zu meinen, das seien alles Hirngespinste, so kann es gar nicht kommen; ich habe es mit eigenen Augen in Russland gesehen, dass es eben genau so abläuft und nicht anders wenn eine Wirtschaft und somit eigentlich auch ein Staat zusammenbricht. Und es wäre geradezu fatal anzunehmen, Deutschland oder die Schweiz wären dagegen immun: da sorgt allein die Umverteilung in der EU dafür, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis genau das eintritt.
Und dann kann man sich ausrechnen, wie lange es denn dauern würde, nach einem Zusammenbruch zuerst der Wirtschaft, dann des Staates, bis wirklich das Hauptproblem in der Sicherstellung der Lebensmittelversorgung und der eigenen Sicherheit besteht. Und wie weit dann noch ist bis zum Untergang der Großstädte, der Kathedralen des Materialismus, und zu einer drastischen Bevölkerungsreduzierung. Dazu braucht es nicht mal einen Krieg! Wer glaubt denn im Ernst, dass auf behördliche Anweisung den Bauern das Vieh und die Getreidevorräte weggenommen werden und dann von Polizei und Bundeswehr bewacht als Lebensmittel z. B. nach Neukölln reintransportiert werden! Die Polizisten werden sich in der Phase um ihre Angehörigen und um sich selber kümmern, und nicht unter Lebensgefahr die Enteignung und Umverteilung bewachen, mit der Schusswaffe. Zumal man ja ohnehin nur einmal Enteignen kann (der Bauer wird im Jahr darauf nur mehr so viel aussäen wie er für sich braucht), doch was kommt dann…
Fazit zum Schluss: Ohne funktionierende Produktion kein funktionierendes Gemeinwesen! Selbstversorgung ist somit nichts anders als die Sicherstellung einer systemrobusten Basisproduktion zum eigenen Überleben. Deshalb werden auch alle Strategien, die ausschließlich auf Bevorratung oder Hortung setzen, sehr schnell fehlschlagen; man kann vielleicht 4 Monate für eine Familie bevorraten, aber nicht für 30 Jahre für ein ganzes Dorf.