ZitatAlles anzeigen
Von Gier, Pleiten und einem Neuanfang
In Island ist nichts mehr wie es war. "Ich fühle mich gelähmt", sagt der einst erfolgreiche Architekt Jakob Lindal, der seit Monaten jedem Auftrag hinterher jagt. Ein Jahr nach Finanzcrash und Staatsbankrott kämpfen die Isländer um ihre Zukunft. In den vergangenen zwölf Monaten hat sich vieles verändert: Die alte Regierung wurde gestürzt, der Beitritt zur EU ist beschlossen, wenn auch umstritten. Aber jetzt liegt eine milliardenschwere Schuldenlast auf den rund 320.000 Isländern.
Ein weltweit einmaliger Vorgang: Innerhalb weniger Monate hat sich die aufstrebende Nordmeerinsel von der fünftreichsten Nation der Erde auf den Status eines Entwicklungslandes zurückentwickelt. Dabei sind die Nachfahren der Wikinger Katastrophen gewohnt. Sie überstanden Vulkanausbrüche, eisige Kälte, Erdbeben und Hungersnöte. Doch der von Menschen ausgelöste Finanzkollaps ist kein Naturereignis. Er trifft die Isländer in Mark und Bein - in ihrem Selbstbewusstsein.
Die Dokumentation schildert die Veränderungen des Jahres 2009: Der Kampf des Architekten Lindal um neue Aufträge. Die Kindergartenleiterin Maria Kristjansdottir hat Angst, ihr Haus zu verlieren. Sie sitzt auf einem Schuldenberg und schreibt öffentliche Petitionen. Die früher beliebte Außenministerin Ingibjörg Solrun Gisladottir musste zurücktreten und leidet an den Folgen eines Gehirntumors, der während der Finanzkrise ausbrach.
Die Dokumentation fragt nach Verantwortung und Verantwortlichen. In einem kleinen Land, in dem fast jeder jeden kennt, ist dieser Punkt besonders heikel. Der Verleger Halldor Gudmundsson schildert, wie die Nutznießer, die "Business-Wikinger", ihre Partys feierten und dann abtauchten. Sein Fazit: Die Isländer sind Vorreiter in der westlichen Welt, denn, so der Titel seines Buches "Wir sind alle Isländer". Der neoliberale Vordenker des isländischen Finanzbooms, Präsidentenberater Hannes Hólmsteinn Gissurarson, äußert sich zum ersten Mal zu den Konsequenzen.
Über 34.000 deutsche Anleger haben die Folgen des Island-Abenteuers schmerzhaft erfahren. Bekannt wurde Karlheinz Bellmann, dessen spektakulärer Feldzug gegen Kaupthing-Manager zur Rückzahlung der Einlagen mit beigetragen hat. Ihm geht es heute um ein weiteres Stück Gerechtigkeit: Die zurückgehaltenen Zinsen sollen nicht den Bankern zufallen. Bellmann will, falls es gelingt, seinen Zinsanteil an Wohlfahrtsverbände spenden.
Island in der Krise. Ein Report über Aufstieg und Fall. Hoffnungen und Ent-täuschungen. Es gibt die Chance für einen Neuanfang. Ohne Finanzhaie, "Icesave"-Konten und falsche Versprechungen. Der Film zeigt auch, dass die gigantische Ruine der Konzerthalle von Reykjavik, das Symbol der Staatspleite, nach einem Baustopp zu Ende gebaut wird. Ein Zeichen der Hoffnung - nicht nur für Isländer.
Film von Christhard Läpple
Quelle: http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt…dDispatch:9131964,00.html
Müßte ab morgen in der ZDF-Mediathek stehen zum nachträglichen Anschauen.