Alles anzeigenFür Überweisungen geht Mouhanad nicht zur Bank – er öffnet einen Chatroom in seiner Handyapp. Mit dem sogenannten Hawala-System schicken syrische Flüchtlinge jedes Jahr Millionen Euro in ihre Heimat
Am Ende von Mouhanads Geld ist regelmäßig viel zu viel Monat über: Im Portemonnaie des Syrers herrscht schon wieder gähnende Leere. Doch irgendwie geht es trotzdem. Sein Berliner WG-Zimmer bezahlt das Jobcenter. Jeden Monat erhält er von der Behörde zusätzlich 413 Euro zur freien Verfügung.
Was das Jobcenter nicht weiß: 300 Euro davon schickt Mouhanad regelmäßig an seine Familie nach Syrien. Eine direkte Überweisung oder Western Union? Undenkbar! Wenn das Jobcenter davon Wind bekäme, würden sie seine Zuwendungen kürzen oder schlimmer noch: „Sie glauben ich unterstütze mit ihrem Geld den Islamischen Staat“, sagt Mouhanad. Anderen Flüchtlingen sei das bereits passiert.
Anstatt zur Bank zu gehen, öffnet Mouhanad Whatsapp und wählt eine Nummer, die er in einer „Hawala“-Facebook-Gruppe gefunden hat. Hawala ist das arabische Wort für Überweisung und für ein Jahrhunderte altes System, das ganz ohne Banken oder Konten auskommt.
Den Mann am anderen Ende der Leitung kennt Mouhanad nicht. Dennoch vertraut er darauf, dass der Unbekannte die 300 Euro irgendwie zu seiner Familie nach Syrien bringt. „Zwei Tage maximal“, sagt Mouhanad und nickt. Aber wie funktioniert das? Mouhanads Geld liegt jetzt bei einem deutschen Zwischenhändler. Der informiert seinen syrischen Partner, dass Mouhanad 300 Euro senden möchte. Zur Identifikation erhält die Hawala-Überweisung einen Code. Den schickt der deutsche Zwischenhändler per Whatsapp an Mouhanad und an dessen Familie in Syrien. Gegen Vorlage des Codes übergibt der Partner Mouhanads Familie das Geld. Ein physischer Geldfluss findet nie statt. Der syrische Partner geht in Vorleistung, legt Mouhanads 300 Euro aus. Später rechnen die zwei Hawala-Händler ihre Einnahmen und Ausgaben gegeneinander auf. Für jeden Transfer zahlt Mouhanad zehn Prozent Kommission. 2014 überwiesen syrische Flüchtlinge etwa 75 Millionen Euro zurück nach Syrien. Einer Schätzung der UN-Agentur IFAD zufolge soll diese Summe 2015 um weitere acht bis zwölf Prozent angestiegen sein.
In Deutschland sind Hawala-Transfers ohne Genehmigung und Kontrolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht strafbar. Doch gerade dieser Mangel an Kontrolle macht das System auch für Kriminelle und Terrornetzwerke attraktiv.
Das geht auch grösser....