Hallo in die Runde!
Ich beschäftige mich nun schon seit geraumer Zeit mit unserem Geldsystem, habe sogar vor einer Ewigkeit mal hier geschrieben (damals unter einem anderen Nick) und weil ich hier ab und an noch mitlese, fällt mir immer stärker ins Auge, dass manchmal Artikel auf Goldseiten gänzlich falsche Darstellungen unseres Geldsystems liefern. Wirklich klar geworden ist mir das erst, als ich anfing, mich mit Bilanzierungen zu beschäftigen (Geschäftsbankbilanzen, Zentralbankbilanzen usw.) und ich mich im Zuge dessen tief in die Materie eingelesen habe. Als Beispiel will ich einen aktuellen Artikel hernehmen - nämlich "Torgny Persson: Was ist Geld?". Ich habe auch gar kein Interesse hier wieder regelmäßig zu schreiben. Mir geht es eigentlich nur um einen Denkanstoß, weil ich das Gefühl habe, dass man auch hier im Forum schon seit Jahren im eigenen Saft schmort, ohne zu hinterfragen, ob die Vorstellungen, die man von den realen Prozessen hat, auch wirklich stimmen.
Gehen wir es Punkt für Punkt durch:
"Stellt man einem Geschäftsbanker die Frage nach Geld und er versteht die Sache mit dem Mindestreservesystem, so wird er - ebenfalls "inoffiziell" - antworten, dass Banken Geld aus dem Nichts erschaffen"
Das ist schon mal falsch. Banken erschaffen kein Geld, sondern eine Forderung auf Geld, das heißt eine Art Schuldverschreibung.
"Einzahlungen aufnehmen und dieselben Mittel ausleihen"
Auch das ist falsch, weil Banken durch die Erschaffung von Zahlungsmittel nur ihre Bilanzen verlängern. Das heißt: Eine Bank braucht eben keine Einlagen, um Kredit zu vergeben. Ich zitiere von der Homepage der Deutschen Bundesbank: "Die Bank gewährt Herrn Müller einen Kredit. Den Kreditbetrag schreibt sie auf seinem Konto gut. Sein Guthaben nimmt zu. Die Bank hat neues Buchgeld geschaffen. Zuvor eingeworbene Spareinlagen benötigte sie hierfür nicht." Warum nicht? Weil es eben kein Geld ist. Es ist eine Schuldverschreibung, die nichts anderes sagt, als: Ich (Bank) schulde dir echtes Geld (Bilanz passiv) und du schuldest mir die Geldsumme, die ich dir als Kredit eingeräumt habe - egal ob in Form von Zahlungsmittel, wie ich es emittiert habe oder in Form von echtem Geld (Bilanz aktiv). So ein Zahlungsmittel kann jeder in die Welt setzen, solange es als Zahlungsmittel akzeptiert wird.
In Wahrheit ist es genau umgekehrt. Erst durch den Kredit existiert das Zahlungsmittel überhaupt. Da gibt es nicht ZUVOR ein Zahlungsmittel, das DANACH weiterverliehen wird. Sobald z.B. 1 Mio Euro Kredit vergeben werden, hat die Bank 1 Mio Euro Schulden in echtem Geld (passiv, d.h. 1 Mio Euro schuldet sie demjenigen, der das Giralgeld auf seinem Konto hat, also zuerst dem Kreditnehmer und wenn der damit einkaufen geht, dann jemand anderen, z.B. auch einer anderen Bank, wenn das Giralgeld bei einer anderen Bank eingezahlt wird) und 1 Mio Euro Forderung (die der Kreditnehmer der Bank schuldet). Das ist das ganz normale Bankgeschäft - auch im Goldstandard, wo das Giralgeld auch eine Schuld ist, die auf goldgedecktes Geld lautet. Wenn der Kreditnehmer seinen Kredit zurückbezahlt, kommt es zu einer Bilanzverkürzung, d.h. das Giralgeld wird vernichtet und verschwindet aus der Bilanz (aktiv: 0, weil Kreditnehmer Kredit zurückbezahlt hat, passiv: 0, weil die Bank nun niemanden mehr echtes Geld schuldet). Der Umsatz (von Gewinn kann man noch nicht reden), den die Bank macht, ist bloß die Zinsdifferenz zwischen den Kreditzinsen auf der einen Seite und den Guthaben-Zinsen auf der anderen Seite. So funktioniert die Kreditvergabe - da wird nicht Bargeld verliehen, das die Bank in riesigen Tresoren lagert, sondern da werden bloß Bilanzen aufgebläht oder kontrahiert.
"und in letzter Zeit auch Geld ausleihen, das nie existierte, wodurch sie Schulden erschaffen."
Das ist ein kompletter Humbug. Was soll das heißen "in letzter Zeit"? Das ist immer so, weil Banken immer durch Bilanzverlängerung Zahlungsmittel erschaffen, die gleichzeitig Guthaben sind/werden (Bilanz saldiert sich zu Null). Banken verleihen kein Geld! Sie erschaffen Zahlungsmittel durch Bilanzverlängerung und vernichten es durch Bilanzverkürzung (Kredittilgung). Jedes Giralgeld ist durch Schulden erschaffen worden!
"Fiatwährung ist eine nationale Währung, die von einer Zentralbank oder Regierung ausgegeben wird. Sie ist durch das Vertrauen der Bevölkerung in diesen Emittenten gedeckt, d. h. die Währung ist durch nichts Greifbares gedeckt, nur durch die Kreditwürdigkeit des staatlichen Emittenten."
Auch das ist falsch. Ja, seit Beginn der Finanzkrise bläht die Notenbank ihre Bilanzen auf, indem sie Vermögenswerte, Schuldverschreibungen (wie Staatsanleihen), etc. aufkauft, aber normalerweise funktioniert das eben nicht so. Wie funktioniert es? Indem Banken der Notenbank Sicherheiten übertragen (z.B. Wertpapiere) und die Notenbank den Wert dieser Sicherheiten in Bargeld verwandelt. Es ist also so etwas wie ein Kredit, der voll durch Sicherheiten gedeckt ist. Vergibt die Notenbank diesen Kredit an die Bank, kommt es zu einer Bilanzverlängerung, zahlt die Bank den Kredit wieder zurück, kommt es zu einer Bilanzverkürzung. Es ist dasselbe Spiel wie oben, zwischen Kreditnehmer und Bank. Auch im Goldstandard wurde goldgedecktes Bargeld durch Kreditaufnahme der Banken und Hinterlegung von Sicherheiten emittiert. Allerdings gab es da nur so viel Bargeld abzuholen, wie die Notenbanken Gold in ihren Tresoren hatten (halt je nach Deckung), aber sonst waren das dieselben Abläufe.
"Regierungen und ihre Zentralbanken mögen Fiatwährungen natürlich, da sie Einnahmen aus Seigniorage erwirtschaften. Seigniorage ist die Differenz zwischen dem Nennwert einer Währung und den Kosten für den Druck oder die Prägung dieser Währung. Für Regierungen ist Seigniorage freies Einkommen, denn sie können es für die Finanzierung ihrer Regierungsausgaben einsetzen."
Auch das stimmt nicht. Der Gewinn der Notenbank besteht ausschließlich aus den Zinskosten abzüglich Herstellungskosten - NICHT aus der Seigniorage! Es handelt sich wieder nur um Bilanzverlängerungen und Bilanzverkürzungen und nicht um die willkürliche Ausgabe von Geld, wo man die komplette Differenz zwischen Nennwert und Kosten einstreift. Das geschieht nur bei der Ausgabe von Münzgeld, das tatsächlich zinsloses Geld ist. Ich zitiere aus wikipedia: "
"Den Unterschied zwischen Herstellungskosten und Nominalwert von Banknoten bezeichnet die Zentralbank nicht als Seigniorage, da sie Bargeld jederzeit zurücknehmen würde und auf der Passivseite ihrer Bilanz führt.
Münzen werden, im Gegensatz zu Banknoten, vom Staat geprägt und an die Zentralbank zum Nennwert verkauft. Sie werden dann analog zu den Banknoten als Teil des Bargeldes in Umlauf gebracht. Dem Staat entsteht dabei ein Münzgewinn, also die Differenz zwischen Nominalwert und Herstellungskosten."
Teil 2 folgt