Ein bißchen Sachlichkeit wünsche ich mir auch. Das Thema beschäftigt(e) mich dafür schon zu sehr, und ich freue mich über eine Diskussion mit jemandem, der offenbar selber in einer Regiogeldinitiative tätig ist.
Ignorieren wir doch die Trolle.
Also: Hallo an VolmeTaler!
Ich bin selber in einem Tauschring aktiv, habe mir schon Margrit Kennedy angesehen und mit diskutiert, etc.
Grundlegend scheint Regiogeld (es gibt verschiedene Spielarten - nehmen wir hier das mit der sog. "Umlaufsicherung") folgende Funktionen zu erfüllen:
a) als regional begrenzt akzeptiertes Tauschmittel sorgt es für regionale statt "globale" Wirtschaftskreisläufe, bzw. stärkt sie: Kaufkraft bleibt in der Region
b) durch die Umlaufsicherung wird dem Horten der Sinn genommen, die Umlaufgeschwindigkeit bleibt sichergestellt. In unserem Modelldorf wird die Wirtschaftstätigkeit (wirtschaftliche Transaktionen = Geldmenge mal Umlaufgeschwindigkeit) gleichbleibend hoch sein. Auch wenn alle mal Angst kriegen und eigentlich auf "Sparen" schalten würden.
Grundsätzlich kann umlaufgesichertes Geld NICHT die Funktion der Wertaufbewahrung haben. Hier kommen wir auf ideologisch vermintes Terrain, wenn es darum geht, ob "Sparen" oder "Besitz" oder "Reich sein" gut oder schlecht ist.
a) "Sparen" halte ich für eine menschliche Grundkonstante seit der Seßhaftigkeit: Vorsorge für ein schlechtes Erntejahr. Das würde ich keinesfalls in Frage stellen.
b) Ist "Horten" (Kapitalbildung) nicht die Grundvoraussetzung für größere Investitionen, die prinzipiell den allgemeinen Wohlstand vergrößern können? Nur wenn überschüssige Erträge aus produktiver Arbeit als Kapital zurückgestellt werden können, kann investiert werden.
Beispiel: der Dorfschmied arbeitet mit seinen Händen so erfolgreich, und ist sparsam im Konsum, daß er eines Tages die Maschinen für eine kleine Manufaktur anschaffen kann. Dort arbeiten (und verdienen) dann mehrere Leute, produzieren mehr und günstigere Güter. Bei gleichbleibender Geldmenge im Musterdorf müsste folgendes passieren: Metallartikel werden so günstig, daß sich jetzt jeder mehr davon leisten kann. Außerdem erzielen mehr Leute ein höheres Einkommen, als wenn sie selber Bauer oder Handwerker wären (sonst würden sie das nämlich tun, und der Manufakturbesitzer hätte Arbeitskräftemangel). Das Einkommen geben sie wiederum aus (Konsum) und steigern dadurch das Einkommen der Übrigen Bewohner. Zum Beispiel für schönere Schuhe oder besseres Essen.
Wie ist das möglich bei gleichbleibender Geldmenge im Musterdorf, die wir einmal annehmen? Das kann nur durch größere Umlaufgeschwindigkeit des Geldes kommen. Die Wirtschaftstätigkeit nimmt zu, die Sparrate nimmt ab.
Fragen:
War die Kaptalbildung hier schlecht? - Sie führt zu mehr Wohlstand.
Ist der Manufakturbesitzer ein Kapitalist? - Ja.
Ist das verwerflich? - Nein, sein Geld ist "echt" verdient.
c) Was ist das Erfolgsgeheimnis?
Die Verfechter on Regiogeld verweisen meist auf Wörgl. Das scheinen mir sehr spezielle Laborbedingungen gewesen zu sein:
- Geld war in der Depression sehr knapp, es fehlte an einem Tauschmittel um wirtschaftliche Aktivität durchführbar zu machen. Verdienen konnte man es auch nicht. Die Gutscheine haben abgeholfen, den Mangel am Tauschmittel zu beheben, und dem Problem es (durch abhängige Tätigkeit) nicht verdienen zu können, weil alles am Boden lag.
- psychologischer Effekt auf die überschaubare Einwohnerzahl: raus aus der Abhängigkeitshaltung (warten auf Hilfe vom Staat), rein in die selbstverantwortete Aktivität
Der Schluß, daß Regiogeld unter anderen Bedingungen ein Erfolgsmodell sein kann, ist m.E. nicht erbracht.
- Ich lasse als Gegenargument nicht gelten, daß unter "Schönwetterbedingungen" z.B. ein Chiemgauer von einer innovativen Gruppe von Menschen getragen wird.
- solange der Staat für Steuerzahlungen nur € per Dekret akzeptiert, und Umverteilungsempfängern € auszahlt, haben wir es mit einer marginalen Erscheinung zu tun, die die staatlich vrordnete Währung nicht komplett ablösen kann
- Das Modell muß sich auflösen, wenn die Einkommen nicht mehr zur Steuerzahlung ausreichen. In einer solchen echten Deflationären Depression benötigt jeder erst einmal das staatlich akzeptierte Geld, der kein Hilfeempfänger ist. Erst wenn keiner mehr Steuern zahlen kann, wendet sich das Blatt wieder - das dürften wir in Wörgl gehabt haben.
In der Praxis kommt noch hinzu: Letztlich sehe ich die Frage der Bindung von Regiowährungen an den € sehr kritisch. Entwertet der Volmetaler, wenn der € entwertet? Und was passiert, wir eine neue Währung anschaffen? Dazu besteht bei mir immer noch die Frage, ob es nicht Geldschöpfung ist, wodurch die Menge begrenzt wird etc. Aber das am Rande, denn es wäre vielleicht lösbar.
Gehen wir wieder ins Musterdorf mit seiner eigenen Währung. Ich frage:
Was tut derjenige, der mehr verdient durch seine Arbeit, als er konsumieren kann? Mit den Gutscheinen heizen?
Idealistische Antwort: weniger arbeiten und sich selbst verwirklichen mit seiner freien Zeit, mit den Kindern spielen, meditieren, Teil und Ursache einer glücklicheren menschlichen Gesellschaft sein.
Vermutlich realistische Antwort (wir sind auch Tiere!): den nächsten Bauernhof, Land, Wald kaufen. Doch Kapitalismus. So lange ging es in Wörgl nicht.
Mein Problem:
Die Verfechter von umlaufgesichertem Geld sehen den Zins als solchen als ungut an (Motto: "die Verteilung wird ungleicher"). 'Das halte ich nicht für eine umfassende Geldtheorie. Bin mir auch nicht sicher, ob es die richtige Diagnose für "DAS zentrale Grundübel" ist, als die er dargestellt wird.
Ich kann Zins zumindest als Risikoprämie gut akzeptieren. Ich habe Ideologieverdacht! Wäre ohne Zins Kredit möglich?
Hier kommen wir zu des Pudels Kern:
Zins wird in der Tat dann unmoralisch und führt zu gesellschaftlicher Ungleichheit, wenn etwas verliehen wird, das jemand gar erarbeitet hat. Ich meine nicht die Erbschaften. Da habe ich keinen Neid.
Liegt das Problem (wenn ich das Grundübel nennen sollte) nicht viel eher dort wo es Griffin ("Die Kratur von Jekyll Island) und Co. sehen - nämlich im Abgehen von Warengedecktem Geld, Verleihen (gegen Gebühr - Zins) das man per Privileg erst dann erschafft, wenn man es verleihen will? Fractional Reserve Banking mit einer ungedeckten Währung - eventuell (da bin ich nicht sicher) mit der eingebauten Perversion, die sicherstellt, daß der Kredit nie zurückgezahlt werden kann, ohne daß das Tauschmittel "verschwindet" und alle wirtschafltiche Aktvität zusammenbricht? Inklusive aller Perversion der künstlich fixierten und der frei fluktuiernden Wechselkurse ohne echten Wert dahinter, der Spekulation, Hebel und Derivate, der Kreditvergabe ohne Ende zur Spekulation (die nie unter einer edelmetallgedeckten Währung passieren würden, weil zu großes Verlustrisiko, bei dem keine Zentralbank als Versicherungsanstalt einspringen würde).
Dann sehe ich Regionalwährungen nicht mehr als (m.E. damit überfordertes) Allheilmittel). Sondern als ein gute Initiative zur Unterstützung regionaler Wirtschaftskreisläufe - durch seine innewohnende Eigenschaft der regionalen Begrenzung; als eine Bildungsinitiative, die die Auseinandersetzung mit Wirtschaft und die Sensibilität für den Umgang mit Geld und Konsum schärft; als einen Beitrag zur Identifikation mit der unmittelbaren Umgebung und den Menschen in der Region. So weit - so gut. Nicht mehr.
Frage zum Schluß - dann paßt es auch in dieses Forum: Was wäre, wenn man z.B. den VolmeTaler durch einen Goldenen und einen Silbernen "VolmeSparstrumpf" in standardisierten Bulliongrößen ohne Nennwert ergänzen würde? Mit flexiblem Wechselkurs natürlich, den findet der Markt. Wäre eine prima Aktion zur politischen Bildung, finde ich.
Jetzt mache ich einen PUNKT.
GL