Und mit der Person Thilo Sarrazin machen es sich viele zu einfach, da heißt es er "faselt", "so kann man das nicht sagen", "er gehört zur politischen Kaste" (das bedeutet natürlich das er gegen das Volk ist). Lauter hin geschmissene unbewiesene Behauptungen um die Person herabzuwürdigen. Schon mal die Fotos beachtet - sieht er nicht immer schön fies aus?
Ich finde dieses "so kann man es nicht sagen", das ist genau das Problem mit Sarrazin bzw. der Aspekt der zurecht kritisiert wird.
Ich denke die meisten Politiker und Journalisten haben bei solch sensiblen Themen eineSchere im Kopf. Allerdings nicht, weil die jemand etwas vorgibt, sondern weil sie aus Erfahrung wissen, daß gewisse Aussagen leicht falsch verstanden werden. Manchmal bewusst falsch verstanden (um jemand in der Diskussion abzuschiessen), aber auch häufig von emotional Beteiligten (z.B. Betroffenen) falsch verstanden, einfach weil sie nichtrational analysieren was da geschrieben wird, sondern es emotional erfassen und Wut, Ärger, Scham, Schuldgefühl etc. etc. der Rationalität keine Chance mehr lassen. Und natürlich gibt es einen Gruppendruck zur "politischen Korrektheit".
Also: Wenn Sarrazin vom Judengen faselt, dann ist doch völlig klar, welche Reflexe das auslöst. In dem Fall wohl meist billige Munition für den Diskussionsgegner, der die Vorlage dankbar aufnimmt, um Sarrazin argumentativ "abzuschiessen". Passiert btw. hier im Forum (auch bei völlig anderen Themen) täglich genauso.
Wichtiger noch: Auch wenn Sarrazin objektiv "nur" statistische Fakten (gehen wir mal davon aus, dass sie korrekt sind) aufführt, dann leitet er doch oft (zu) verkürzte Thesen ab. Das führt dann dazu, dass z.B. gut etablierte Türkischstämmige das allzu leicht als undifferenzierten Angriff auf sich bzw. ihre gesamte Gruppe missverstehen. Weil sie es aus ihrer Perspektive und Lebenserfahrung mit einer Grundeinstellung lesen, die sofort zu emotionaler Reaktion (Ablehnung) führt.
Manche Zuspitzung ("Zuwanderer sind eine volkswirtschaftliche Belastung") sind auch einfach undifferenziert als Angriff auf eine ganze Gruppe formuliert. Die Aussage mag als "Bilanz" einer differenzierten Betrachtung sogar objektiv richtig sein. Aber so leitet man nicht mit Aussicht auf fruchtbare Diskussion ein, sondern man weiss, dass eine solche Provokation die Fronten so verhärtet, dass eine fruchtbare Diskussion eben nicht mehr möglich ist.
Politiker & Journalisten wissen das, weil es ihr täglich Brot ist.
Sarrazin weiss es entweder nicht, oder er will bewusst provozieren. Das ist sein Recht, aber es ist nicht Aufgabe von Journalisten und Politkern das gut zu finden, selbst wenn sie sehen dass es einen Problemkern gibt den Sarrazin zurecht anspricht.
Wer wirklich etwas bewegen möchte, der muß die Leute mitnehmen, also die identischen Fakten und Probleme emotional genau anders herum einkleiden. Also etwa unter dem Leitthema "wir müssen noch mehr für die Integration tun". Darunter können sich dann letztlich auch Forderungen nach z.B. Begrenzung des Ehegattenzuzugs etc. finden. Um dafür Aufmerksamkeit zu finden ist es aber gar nicht schlecht, wenn vorher ein Provokateur das Thema heiß gemacht hat. Das ist Sarrazins Beitrag.