ZitatAlles anzeigenSparen erscheint den Menschen beim gegenwärtigen Zinsniveau
wahrscheinlich kaum noch lohnenswert – eine der Folgen des
geldpolitischen Interventionismus. Dieser Interventionismus hat aber
auch Auswirkungen auf die Vermögensmärkte. Sie haben sich damit
beschäftigt, eingangs erwähnten Sie ja bereits die Hausse an den
Aktienmärkten. Zu welchen Erkenntnissen sind Sie gelangt?
Das ist in der Tat das zentrale Thema meines Buches. Um die
Auswirkungen des geldpolitischen Interventionismus auf die
Vermögensmärkte (vor allem auf die Finanzmärkte) zu verstehen, muss man
sich zunächst vor Augen halten, welche Rolle diese Märkte in einer
hypothetischen freien Wirtschaft spielen würden und welchen Begrenzungen
sie dort unterworfen wären. Dabei ist insbesondere hervorzuheben, dass
das Halten von Bargeld (das schnöde “Geldhorten”) letztlich die gleiche
Funktion wie die Finanzmärkte erfüllt, nämlich die Koordination zwischen
Sparern und den Verwendern ihrer Ersparnisse. Auch das Sparen in Form
von Geldhorten kommt immer irgendwelchen anderen Menschen zugute, genau
wie der Kauf von Aktien und Schatzbriefen. Dieser Punkt wurde lange Zeit
völlig verkannt, und unter dem Einfluss der keynesianischen
Wirtschaftsphilosophie ist die genau entgegengesetzte Auffassung zum
offiziellen Dogma geworden. Heute wird fast überall gelehrt und
geglaubt, dass es ohne Finanzmärkte unmöglich ist, die Ersparnisse einer
Person A irgendwelchen anderen Personen B, C und D nutzbar zu machen.
Nach dieser Auffassung sind Finanzmärkte also geradezu unentbehrlich.
Ohne sie würde das gehortete Geld einfach brachliegen. Es würde nicht
genügend Geld ausgegeben werden, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage
wäre entsprechend gering, und es käme mithin zu Arbeitslosigkeit und
Wachstumseinbussen. Ich zeige dagegen, dass der eigentliche Nutzen der
Finanzmärkte aus gesamtwirtschaftlicher Sicht darin liegt, Anreize zu
vermehrtem Sparen zu schaffen.
Durch den geldpolitischen Interventionismus werden die Finanzmärkte
dagegen künstlich aufgebläht. Es kommt zu jenem überproportionalem und
krisengeplagten Wachstum, das allen Fachleuten, aber auch
nicht-professionellen Beobachtern der Finanzmärkte wohlbekannt ist.
Insbesondere wachsen die Vermögensmärkte stärker als die Faktor- und
Konsumgütermärkte. Man muss somit immer länger arbeiten, um ein Haus
oder ein Stück Land zu erwerben. Außerdem kommt es zu einer stärkeren
Konzentration der Vermögensverteilung.
Im zweiten Teil meines Buches setze ich diese Zusammenhänge der
Blasenwirtschaft näher auseinander. Drei Mechanismen stehen dabei im
Mittelpunkt. Erstens kommt es zu einem blasenartigen Wachstum der
Finanzmärkte schon aus dem einfachen Grund, dass die Geldschöpfung auf
dem Kreditweg erfolgt. Zweitens wird die Geldschöpfung so weit
getrieben, dass es zu einer ständigen schleichenden Preisinflation
kommt; aber dadurch wird es irrational, Geld zu horten und somit
entstehen starke Anreize zum Erwerb von Finanzprodukten. Drittens wird
die Geldschöpfung zum Vorteil bestimmter Gruppen betrieben wird, welche
daher zu unverantwortlichem Handeln (moral hazard) verführt werden. Es
kommt somit zu einer Überdehnung des Gesamtsystems, das mit den
vorhandenen Ressourcen nicht dauerhaft erhalten werden kann. Dieser
Zusammenhang wird durch eine Politik der Preisniveaustabilisierung sogar
noch verstärkt.
Das Halten von Bargeld erfüllt die gleiche Funktion wie die Finanzmärkte? Würden Sie das bitte noch detaillierter erklären?
Durch das Halten von Bargeld wird ein Druck auf die Geldpreise
ausgeübt, denn es verbleiben sozusagen weniger Geldeinheiten im Umlauf.
Das Geld verknappt sich relativ zu den anderen Waren, und somit
verändern sich die Tauschrelationen: weniger Geld per Gütermenge. Das
aber bedeutet nichts anderes, als dass die im Umlauf verbliebenen
Geldeinheiten nun eine höhere Kaufkraft haben. Diejenigen, die Bargeld
sparen, vergrößern sozusagen die Kaufkraft der Geldeinheiten, die von
den anderen Marktteilnehmern ausgegeben werden. Es ist, also ob sie die
Projekte der anderen über den Finanzmarkt finanziert hätten — aus
gesamtwirtschaftlicher Sicht wird hier genau die gleiche Funktion
erfüllt. Natürlich gibt es auch einige bedeutende Unterschiede, welche
ebenfalls im ersten Teil meines Buches besprochen werden, aber das
ändert nichts an der genannten Tatsache.
Lassen Sie uns zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft
werfen. Bankkunden wird es seit dem Zypern-Deal ganz langsam klar, dass
ihre Einlagen bei Banken nicht verwahrt werden, sondern verliehen sind.
Könnte diese Erkenntnis – sollte sie sich noch stärker verbreiten – der
Anfang vom Ende des heutigen Teilreserve-Banksystems sein?
Das glaube ich nicht. Es könnte allenfalls zu einer kurzfristigen
Bankenkrise kommen, aber wenn der entsprechende politische Wille
vorhanden ist, lassen sich solche Unfälle immer mit Kapitalspritzen aus
der Notenpresse beheben. Es gibt keinen Grund zu der Hoffnung, dass die
Beseitigung dieses Systems in absehbarer Zukunft durch irgendwelche
Naturereignisse oder zwangsläufige Entwicklungen herbeigeführt werden
wird. Selbst wenn es zu einem wirklich großen Einbruch der Märkte käme,
würde sofort danach nicht nur von politischer Seite, sondern auch von
den wirtschaftlichen Verbänden und Interessenvertretungen alles daran
gesetzt werden, so schnell wie möglich wieder von vorne anzufangen. Die
große Mehrheit unserer Mitbürger sind völlig befangen in dem Irrtum,
dass die einzelwirtschaftlichen Vorteile, die das Teilreserve-System
ihren Unternehmen und Privathaushalten unter Umständen verschaffen kann,
auch gesamtwirtschaftliche Vorteile sind, die es unbedingt zu bewahren
gilt. Solange sich dieser Irrtum behauptet, ist keine nachhaltige
Besserung zu erwarten. Daher ist auch die Arbeit des Mises Institut
Deutschland so wichtig, da hier die Lehren der klassischen und
österreichischen Ökonomie verbreitet werden.
Vielen Dank, Herr Professor Hülsmann.
Gruß
Smithm