abc @all
Im Prinzip ist das kein Thema, das mal eben kurz im Forenmodus auf den Punkt gebracht werden könnte. Die Zins(rechtfertigungs)debatte ist fast so alt wie die Menschheit. Seit 3000 Jahren wird Zins genommen, auch mal verboten, das Verbot auch mal umgangen und stattdessen "Gebühren" oder schlicht Gewinnanteile geboten (Scharia-Banking heute).
Ich selbst beschäftige mich seit über 10 Jahren mit fast allen Aspekten des Themas und mit allen denkbaren Zinsrechtfertigungskomponenten (Zeitpräferenz, marginal time preference, Risikoerwartungskomponente, Inflationserwartungskomponente, Inflationsausgleichskomponente, usw.). Zudem analytisch, historisch und empirisch mit den Zins-Verboten und ihren Folgen, sowie mit den so oft gehörten Behauptungen bzgl. "bei der Geldschöpfung nicht mitkreiertem Zins" bzw. "Exponentialfunktion des Zinseszins" usw.
Und doch habe ich mich in all den Jahren und trotz x Anfragen im Blog und in fast jeder Veranstaltung nicht wirklich getraut, das Zinsthema GRUNDLEGEND zu diskutieren, wie es M Bechtel hier nun wagte (und mE absehbar im Blog nicht zum Erklärungsziel kommen konnte).
Das Thema ist hochideologisch und seit Hunderten von Jahren von Geldtheoretikern jeder Couleur verhunzt mit Positionen, die man alle hinterfragen kann. Ich selbst kann hier nur meinen pragmatischen Standpunkt darlegen, der da lautet:
1. Es sollte mE weder mathematisch noch ideologisch ein Dissens zwischen uns herrschen, dass die RISIKOkomponente des Zinses -also die mathematische Wahrscheinlichkeit auf Kreditausfall- gerechtfertigte Zinsnahme darstellt (ohne diesen Risikoausgleich wäre schlichtweg niemand mehr bereit, Geld zu verleihen, es gäbe keinen FK-Markt mehr, mit allen Konsequenzen, also zwingend komplette EK-Finanzierung aller Großinvestitionen) - und dass DIESE Zinshöhe auch nicht inflationstreibend wäre, weil durch den statistisch stabil berechenbaren Ausfall von Krediten (samt Zinsforderungen ddarauf) bei Insolvenzen der finanzierten Projekte mit Erwartungswert iHv zB 5% keine irgendwie "überschüssige", "vagabundierende" Geldmenge im System bleibt! Hier wird annähernd genau so viel aus dem Nichts geschöpftes Kreditgeld wieder ins Nichts zurückbefördert wie eben wegen der Insolvenz KEINE Güter neu geschaffen wurden. Damit kommt die erwähnte Exponentialkurve nicht ins Laufen und das System wäre stabil.
2. Damit sind die so unglaublich vehement und fundamental, fast religiös geführten Zinsdebatten reduziert auf die o.g. ANDEREN Zinskomponenten AUSSER der Risikokomponente. HIER kann man m.E. lange streiten - ein Streit, der seit biblischen Zeiten tobt, der sogar die Österr. Schule durchzieht (Mises vs Menger) - und der mE nicht den großen Kern des Problems trifft, wie wir ihn seit 1913 haben. Hier http://www.wirtschaftsfacts.de/?p=21331 hatte ich dazu mal folgendes gesagt:
Zitat
Der „österreichische“ Weg zurück zu einer nachhaltigen und wieder fairen Gesellschaft führt nach meiner Überzeugung nur über „gutes Geld“! Er kann leider erst nach der Ausbuchung der durch jahrzehntelange Aufschuldung entstandenen Vermögensüberhänge greifen. Nach dem enteignenden und chaotischen Währungscrash als Folge ungedeckter Währungen werden die Menschen ähnlich wie im Herbst 1923 nach einem Geldsystem schreien, das irgendwie wieder Stabilität verspricht. Das ist dann endlich wieder die Stunde entweder des glaubhaft gedeckten staatlichen GoldSilber-Gelds (persönlich nur meine second-best Variante, die hoffentlich nur für eine kurze Übergangszeit genutzt werden muss) – oder besser noch die Stunde des freien Geldwettbewerbs ohne jedes staatliche Monopolgesetz, bei dem wirklich jeder berechtigt zur Geldemission ist, was natürlich aus rein praktischen Gründen sehr schnell zu einem Wettbewerb von vielleicht 2 bis 4 Währungen führen würde – ein problemlos ohne Chaos beherrschbarer Zustand!
Solches Geld, in Verbindung mit dem Verbot jedes Fractional Reserve Bankings, verunmöglicht ungerechte, da ungedeckte Geldschöpfungs-Gewinne – und erst recht deren Multiplikation. Es verhindert auch das völlig ungerechtfertigte heutige Mega-Problem der Zinsnahme auf fraktional geschöpftes und damit nur virtuell existierendes Geld. Dieser real existierende Dauerbetrug hat seit 1913 Hunderte von Kriegen und gesellschaftlichen Verwerfungen finanziert. Er ist der größte Skandal der Neuzeit – und er macht meines Erachtens 95 bis 99% des so heiß diskutierten „Zinsproblems“ aus!
Ein möglicher Nachteil dieser Variante b) liegt entgegen gerne verbreiteten Mythen damit weder in der „zu knappen (Gold) Geldmenge“ noch im „nie mitkreierten Zins“, sondern vor allem darin, dass die Welt nach 100 Jahren Fehlentwicklung endlich wieder lernen müsste, innerhalb ihrer Verhältnisse zu leben.
=> Wir werden diese Jahrtausenddebatte nicht hier im Forum ausdiskutieren können. Trotzdem hat diese Threaderöffnung ihre Berechtigung. Ich nehme mal mit, dass ich irgendwann in absehbarer Zeit AUCH EINMAL einen grundlegenden Artikel zum Zinsthema schreiben werde (was ich seit Jahren bewusst bzw. aus Feigheit vermeide), dessen pragmatische Hauptthese oben im Wirtschaftsfacts-Interview jedoch schon skizziert wurde. Im heutigen 21. Jhdt haben wir zu 98% ein Problem des illegitimen Zinses auf illegitim aus dem Nichts per fractional banking geschöpftes Geld! DAGEGEN verblassen rein quantitativ derzeit alle Fundamentaldebatten zu den anderen Zinsproblemen. Schaffen wir erst das fractional Betrugs-Banking ab und die Monopolzwangsgeldgesetze gleich dazu. DANN können wir die letzten 2 Problemprozent auch noch angehen.
My 2 Cents, heute (gleich KA-Urteil zum ESM) keine Zeit für mehr, Grüße P. Boehringer, GS-Blog