Heutige Ausgabe:
China: Evergrande ist nicht das eigentliche Problem!
der Aktienhandel des chinesischen Immobilienentwicklers Evergrande wurde am gestern in Hongkong ausgesetzt (Trading Halt), weil eine in unternehmerischer Hinsicht relevante Entscheidung ansteht. Dies betrifft zunächst den am Wochenende in der chinesischen Global Times erwähnte Verkauf eines 51%-Anteils der Immobilien- Management-Tochter Property Services Group an den Wettbewerber Hopson Development.
Diese Meldung kann als verlässlich eingestuft werden, da die Global Times zu den chinesischen Staatsmedien zählt, zumal der Aktienhandel von Hopson ebenfalls ausgesetzt wurde.
Bei Evergrande zeichnet sich eine Zerschlagung des Konzerns ab
Der Verkaufserlös wird auf mehr als 5 Mrd. US$ geschätzt. Das ist relativ angesichts der Gesamtverschuldung Evergrandes von rund 300 Mrd. US$. Zuvor erfolgte in der vergangenen Woche bereits die Ankündigung, dass Evergrande seinen Anteil an der Shengjing Bank für rund 1,5 Mrd. US$ an die staatliche Vermögensgesellschaft Shenyang Shengjing veräußern wird.
In der Vorwoche hatte die Führung in Peking staatseigene Unternehmen bereits dazu aufgefordert, Teile von Evergrande zu übernehmen. Parallel kam von der Zentralbank (PBoC) der Hinweis, dass man die Interessen der Privatanleger schützen wolle.
Somit dürfte der Zerschlagung des überschuldeten Immobilienkonzerns nur noch eine Frage der Zeit sein.
Es werden Erinnerungen an die Finanzkrise geweckt
Die westlichen Finanzmärkte reagierten gestern erneut nervös, da sich nicht absehen lässt, ob die Entwicklung in China ausschließlich Evergrande betrifft oder hier noch mehr nachkommen wird. Unklar ist ebenso, welche Banken in welchem Ausmaß involviert sind und somit indirekt auch ausländische Institute betroffen sein könnten.
Das weckt natürlich Erinnerungen an die Finanzkrise 2008/09. Seinerzeit war beispielsweise nicht bekannt, dass deutsche Banken mit einem Volumen von geschätzt 800 Mrd. € bis zu 1 Bio. € am US-Immobilienmarkt involviert waren. Hauptsächlich über hoch verzinste Schrottderivate, die sich die heimischen Institute von US-Investmentbanken haben andrehen lassen. Seinerzeit war nicht mal die deutsche Börsenaufsicht über das Ausmaß im Bilde.
Das soll der „Wohlstand für alle“ sein?
Es führt aber nicht weiter, sich mit Unklarheiten zu befassen. Wesentlich gefährlicher stufe ich die Vorgehensweise der Führung in Peking ein, die seit einem Jahr in nahezu alle relevanten Bereiche eingreift. Offiziell wird dies als „Wohlstand für alle“ vermarktet, inoffiziell geht es um Macht und Kontrolle. So lässt man über viele Jahre die Immobilienentwickler agieren. Evergrande hat maßgeblich zum Aufbau der neuen Megacitys in China beigetragen.
Der chinesische Immobilienmarkt wurde seit der Jahrtausendwende von gleich mehreren Überhitzungsphasen erfasst – lokal unterschiedlich ausgeprägt. Man hat die Immobilienentwickler aber agieren lassen. Dann wird plötzlich das Ruder herumgerissen und die maximale Verschuldung gedeckelt. Es benötigte nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, welche Auswirkungen dies haben wird.
Seit einem Jahr wird in relevanten Bereichen eingegriffen
Diese vielen staatlichen Eingriffe, auch in den Tech-Sektoren, sind in ihrer Gesamtheit und Kurzfristigkeit brisant, da dies einen Destabilisierungseffekt hat. Entweder ist man sich dessen in Peking nicht bewusst oder man nimmt die damit einhergehenden Gefahren in Kauf.
Flankiert wird diese Entwicklung von einer restriktiven Geldpolitik, die sozusagen das Gegenteil der Strategie der US-Notenbank (Fed) darstellt. So befindet sich die Jahreswachstumsrate der Geldmenge M1 in China weiterhin im Abwärtstrend und ist im August auf 4,20% (nach 4,90% im Juli) gefallen. Aus Börsensicht klar negativ.
Damit gerät das globale Finanzsystem zunehmend in ein Spannungsfeld, was vielen Akteuren überhaupt nicht bewusst ist. Das Problem ist nicht Evergrande, sondern die aus unterschiedlichen geldpolitischen Strategien resultierenden Reibungsflächen.
Die unterschiedlichen geldpolitischen Strategien setzen das globale Finanzsystem unter Stress
Diese Problematik sollte auch der Fed bekannt sein. Fängt sie in dieser Stressphase des globalen Finanzsystems mit leicht restriktiven Eingriffen an, würde sie Turbulenzen an der Wall Street geradezu provozieren.
Bei den führenden US-Aktienindizes zeichnet sich immer stärker ein Phasenwechsel ab.
Der Dollar-Index ist in der Vorwoche auf ein neues 12-Monats-Hoch gestiegen, was zunächst aber abgefedert wurde. Dies ist ebenso an der Entwicklung des Euro ersichtlich. Die Ansätze für Stress am US-Geldmarkt sind erkennbar (ersichtlich auch an der weiter steigenden Gold-Silver-Ratio), sie sind aber nicht vergleichbar mit den Abläufen im Februar 2020. Somit zeichnet sich derzeit auch kein Crash ab.
<span style="-webkit-tap-highlight-color: rgba(0, 0, 0, 0);">