Nachdem, was ich mittlerweile von unserem Lukas gelesen habe, halt ich selbigen aber nicht für sparsam, sondern für jemanden, der sich damit begnügt im Leben nichts zu erreichen. Nach dem Motto "Warum den ganzen Tag arbeiten, wenn ein halber auch reicht?"
Und mit genau dieser Einstellung komme ich nicht zurecht! Ich will jetzt nicht propagieren, der Sinn des Lebens wäre es Reichtümer anzuhäufen, aber ohne den Ehrgeiz, im Leben etwas zu erreichen, zu schaffen, voranzukommen oder aufzubauen, fehlt einfach ein existentieller Charakterzug.
Sorry, versteh ich nicht, irgendwie dachte ich hier im Forum sind vorwiegend Menschen, die das System und dessen Methoden durchschaut haben, und kritisch hinterfragen. Wenn ich dann höre, daß es ein existenzieller Charakterzug sein soll, ehrgeizig zu sein, voranzukommen oder etwas aufzubauen, dann wundert es mich doch sehr. Denn das klingt danach, daß hier doch sehr viele ferngesteuerte Systemlinge sind, hervorragender Brennstoff für eine Maschine, die gerade dabei ist ihren Geist aufzugeben. Und wie es für diese Spezies Mensch typisch ist, haben sie ein Problem mit Andersdenkenden, wirken psychischen Druck auf die Nichtsnutze aus, können diese nicht verstehen und nicht tolerieren. Denn es gibt nur den einen richtigen Weg, und der ist eben, verdammt noch mal den ganzen Tag arbeiten, auch wenn ein halber reichen würde, um sich etwas aufzubauen und zu erreichen, was man eh nicht mitnehmen kann. Toll, ein Leben voller Arbeit, ein prallgefülltes Konto, aber völlig leer in der Seele sein, wenn man hier das zeitliche segnet. Wenn das Euer Bild von Freiheit ist, dann viel Glück dabei sie zu finden. Ich bin ja auch nur am machen, mehr privat als beruflich, aber ich verstehe jeden, der das nicht einsieht.
Hier noch ne kleine Geschichte dazu:
Der Fischer und der Tourist
In einem Hafen liegt ein ärmlich gekleideter Mann in seinem Fischerboot und döst.
Ein schick angezogener Tourist legt eben einen neuen Film in seinen Fotoapparat, um das idyllische Bild zu fotographieren: blauer Himmel, grüne See mit friedlichen schneeweißen Wellenkämmen, schwarzes Boot, rote Fischermütze. Klick. Noch einmal: Klick. Und da alle guten Dinge drei sind und sicherer sicherer ist, ein drittes Mal: klick.
Das spröde, fast feindselige Geräusch weckt den dösenden Fischer, der sich schläfrig aufrichtet, schläfrig nach einer Zigarettenschachtel angelt .....
"Sie werden heute einen guten Fang machen."
Kopfschütteln des Fischers.
"Aber man hat mir gesagt, dass das Wetter günstig ist."
Kopfnicken des Fischers.
"Sie werden also nicht ausfahren?"
Kopfschütteln des Fischers, steigende Nervosität des Touristen .....
"Ich will mich ja nicht in Ihre persönliche Angelegenheiten mischen", sagt der Tourist zum Fischer, "aber stellen Sie sich mal vor, Sie führen heute ein zweites, ein drittes, vielleicht ein viertes Mal aus und Sie würden drei, vier, fünf, vielleicht gar zehn Dutzend Makrelen fangen. Stellen Sie sich das mal vor!"
Der Fischer nickt.
"Und wenn Sie", fährt der Tourist fort, "nicht nur heute oder morgen, sondern an jedem günstigen Tag zwei-, dreimal, vielleicht viermal ausfahren - wissen Sie, was geschehen würde?"
Der Fischer schüttelt den Kopf.
"Sie würden sich in spätestens einem Jahr einen Motor kaufen können, in zwei Jahren ein zweites Boot, in drei oder vier Jahren könnten Sie vielleicht einen kleinen Kutter haben, und damit würden Sie natürlich viel mehr fangen. Eines Tages würden Sie dann zwei Kutter haben, Sie würden ...", die Begeisterung verschlägt ihm für ein paar Augenblicke die Stimme, "Sie würden ein Kühlhaus bauen, vielleicht eine Räucherei, später eine Marinadenfabrik, mit einem eigenen Hubschrauber rumfliegen, die Fischschwärme ausmachen und Ihren Kuttern per Funk Anweisung geben. Sie könnten die Lachsrechte erwerben, ein Fischrestaurant eröffnen, den Hummer ohne Zwischenhändler direkt nach Paris exportieren - und dann ...", wieder verschlägt die Begeisterung dem Fremden die Sprache.
Kopfschüttelnd, im tiefsten Herzen betrübt, seiner Urlaubsfreude schon fast verlustig, blickt er auf die friedlich hereinrollende Flut, in der die ungefangenen Fische munter springen.
"Und dann", sagt er, aber wieder verschlägt ihm die Erregung die Sprache.
Der Fischer klopft ihm auf den Rücken, wie einem Kind, das sich verschluckt hat.
"Was dann?" fragt er leise.
"Dann", sagt der Fremde mit stiller Begeisterung, "dann könnten Sie beruhigt hier im Hafen sitzen, in der Sonne dösen - und auf das herrliche Meer blicken."
"Aber das tu' ich ja schon jetzt", sagt der Fischer, "ich sitze beruhigt am Hafen und döse, nur Ihr Klicken hat mich dabei gestört."
Heinrich Böll: Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral - gekürzt